Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wenn die Realität das Tatort-Drehbuch einholt
Neuer Schwarzwald-Fall erinnert an die vermisste Maria H., die plötzlich wieder in Freiburg auftaucht
BIBERACH - Mit „Für immer und dich“läuft in der ersten Jahreshälfte 2019 ein Tatort in der ARD, der in mehrerer Hinsicht anders ist. Davon haben sich bereits jetzt Besucher der Biberacher Filmfestspiele überzeugen können. Der vierte Fall des Schwarzwald-Ermittlerteams ist keine reine Fiktion, weil die Handlung vor ein paar Wochen von der Realität eingeholt wurde.
Mehr als fünf Jahre nach ihrem Verschwinden ist Maria H. wieder zurück in Freiburg. Die damals 13-Jährige soll 2013 freiwillig mit einem älteren Mann Deutschland und ihre Familie verlassen haben. Unerwartet kontaktiert Maria H. dann ihren Vater und klärt ihn über ihren Aufenthaltsort auf. Kurz darauf holen Freunde der Familie die 18-Jährige in Mailand ab und bringen sie zurück nach Deutschland.
Als diese reale Nachricht die Regisseurin Julia von Heinz erreicht hat, war dies für sie nach eigener Aussage eine große Überraschung: „Ich habe viele Anrufe und SMS von Bekannten und Mitwirkenden an diesem Tag erhalten.“Denn ihr Tatort beschäftigt sich mit einem ganz ähnlich gelagerten Fall: Die 13-jährige Emily Arnold (Meira Durand) verschwindet mit einem älteren Mann (Andreas Lust) aus Freiburg und taucht anderthalb Jahre später wie aus dem Nichts wieder auf. Der Tatort wurde konzipiert, als noch nicht bekannt war, dass Maria H. wieder zurück in Deutschland ist.
„Es wirkt so, als hätten wir Maria H. mit unserem Tatort zurückgerufen“, sagte die Regisseurin vor den Filmfestbesuchern. Das Publikum beschäftigte sich in den zurückliegenden eineinhalb Stunden mit der Frage: Wie und wann löst sich das Mädchen aus der Beziehung mit dem Mann? Laut den Filmemachern gibt es weitere Fälle in Deutschland, bei denen Mädchen in der Pubertät mit älteren Männern abhauen.
Eine Zuschauerin wollte wissen, wie leicht oder schwer es sei, einen Tatort umzusetzen. Schließlich gebe es ja bereits viele Folgen. „Ich habe mir vorher bewusst keine Tatorte mehr angeschaut“, erläuterte Julia von Heinz. Stattdessen habe sie sich mit Filmen auseinandergesetzt, die eine große Nähe zu ihren Protagonisten, vor allem zu jungen Mädchen, erzeugten. Die Spannung baue sich bei diesem Tatort nämlich nicht nur durch die Mördersuche auf, sondern durch die Beziehung zwischen dem Mann und dem Mädchen.
Trotzdem gibt es einen Toten. Schließlich bräuchte es ein Kapitaldelikt, damit die Kommissare Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) ermitteln könnten, wie die Filmemacher sagten. Ein Tatort ohne Toten löse beim Publikum häufig eine Enttäuschung aus.
Für Kim Riedle, sie spielt die Mutter der Emily Arnold, war es in Biberach das erste Mal, dass sie den vierten Teil des Schwarzwald-Tatorts gesehen hat: „Ich muss das erst einmal emotional verarbeiten.“So dürfte es auch dem ein oder anderen Filmfestbesucher gegangen sein, ist der Krimi doch wunderbar psychologisch durchdacht.