Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Leben in der Parallelwe­lt

Film dokumentie­rt jugendlich­e Obdachlosi­gkeit – Macher aus Mittelbibe­rach

- Von Sarah Schleiblin­ger

BIBERACH/MITTELBIBE­RACH - Ein bisschen aufgeregt waren sie schon – zumindest aber gespannt, wie ihr Film „Parallelwe­lt“beim Biberacher Publikum ankommt. Kevin Koch, Franziska Kirchner und Jonas Hipper zeigten bei den Filmfestsp­ielen zweimal ihre Dokumentat­ion über die 21-jährige Jennifer Ahnfeld, die obdachlos auf den Straßen von Nürnberg lebt.

„Wir sind so glücklich, dass wir mit unserem Film hier in Biberach sein dürfen“, sagte Kevin Koch kurz bevor es losging im Traumpalas­t. „Egal ob wir einen Preis gewinnen oder nicht, wir sind einfach froh, dabei zu sein.“Der 23-Jährige kommt ursprüngli­ch aus Mittelbibe­rach und studiert derzeit im siebten Semester in Bayreuth Medienwiss­enschaft und Medienprax­is. Während des Studiums entwickelt­e er gemeinsam mit Franziska Kirchner, einer Kommiliton­in, die Idee für eine Dokumentat­ion. Das Thema jugendlich­e Obdachlosi­gkeit reizte die beiden von Anfang an. „Die Suche nach einem Protagonis­ten, der uns an seinem Leben teilhaben lässt, war nicht einfach“, sagt die 26-jährige Franziska Kirchner, die ursprüngli­ch aus der Nähe von Mannheim stammt. Nach einem halben Jahr lernten sie mit Hilfe des Don Bosco Jugendwerk­s in Nürnberg dann die obdachlose Jennifer Ahnfeld kennen. „Jennifer war uns von Beginn an sympathisc­h und sie war sehr offen für uns und unsere Idee“, sagte Koch.

Dreimal haben die Studenten Jennifer in den vergangene­n eineinhalb Jahren getroffen. Dabei war ihnen wichtig, auf Augenhöhe mit der Protagonis­tin zu sein. Deshalb haben sie auch gemeinsam mit den Obdachlose­n auf der Straße geschlafen. Koch ist sich sicher, dass sie so das Vertrauen von Jenni gewonnen haben: „Und das war die Grundlage für einen authentisc­hen Film.“Schwierig war für die beiden die Unbeständi­gkeit in Jennis Leben. Richtig lange Freundscha­ften habe sie wenige gehabt, das Filmmateri­al für die Zuschauer in eine nachvollzi­ehbare Reihenfolg­e zu bringen, sei ein Kraftakt gewesen.

Während sich Franziska Kirchner vor allem um die Organisati­on, das Drehbuch und die Interviews kümmerte, übernahm Kevin Koch den Part hinter der Kamera und den Schnitt. Die Musik zum Film machte ein Freund von Kevin Koch: Der 24-jährige Jonas Hipper, aufgewachs­en in Hochdorf, ist selbststän­diger Musikprodu­zent in Köln. „Gerade Musik in Dokumentat­ionen ist nicht einfach“, sagte Hipper. „Es ist eine Gratwander­ung: Natürlich soll die Musik die Stimmung unterstrei­chen, sie darf aber nicht übertriebe­n sein und im Vordergrun­d stehen.“

Eigentlich sollte „Parallelwe­lt“nur eine Übung im Rahmen des Studiums

Franziska Kirchner, junge Filmemache­rin

von Kevin Koch und Franziska Kirchner sein. Schnell stellten sie aber fest, dass mehr in dem Stoff steckt. Auch Dozenten rieten den beiden, den Film als Abschlussa­rbeit abzugeben. Gesagt, getan: Nächste Woche müssen sie sich jetzt den Fragen ihrer Professore­n stellen.

Freunde und Familie der Filmemache­r waren bei der Vorführung im Traumpalas­t mit dabei – nicht nur sie waren begeistert vom Ergebnis. Auch einige Zuschauer beglückwün­schten das „Parallelwe­lt“-Team. „Uns freut natürlich, dass unser Film den Menschen gefällt“, sagte Kevin Koch. Genauso wichtig war den Filmemache­rn aber, dass eine Randgruppe Beachtung erhält, die sonst nicht gesehen wird.

„Die Suche nach einem Protagonis­ten, der uns an seinem Leben teilhaben lässt, war nicht einfach.“

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FOTO: SARAH SCHLEIBLIN­GER Kevin Koch, Franziska Kirchner und Jonas Hipper (von links) waren gemeinsam mit ihren Freunden und ihren Familien bei der Vorführung von „Parallelwe­lt“bei den Filmfestsp­ielen.

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