Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Essen ist eine Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen“
Abt Mauritius Choriol war Sternekoch, bevor er sich entschloss, ins Kloster zu gehen
Er kennt die moderne Molekularküche ebenso wie uralte Hausrezepte. Mauritius Choriol, Abt der saarländischen Abtei Tholey, ist Koch aus Leidenschaft. Lange Zeit arbeitete er in einer luxemburgischen Sterneküche, ehe er sich für ein Leben im Kloster entschied. „Da hört man die Stimme Gottes deutlicher", sagt Choriol. Noch immer aber steht er gern im Gästehaus des Klosters am Herd, wo auch mal Hummersalat auf den Tisch kommen kann. „Crépinette de pied de porc (Schweinefuß im Netz)“gehört zu den Lieblingsspeisen des gebürtigen Elsässers, der auch gern mal den Lebensmitteleinkauf in Deutschlands ältestem Kloster besorgt. Günter Schenk sprach in Tholey mit dem Abt und Küchenkenner.
Wenn Sie hungrig sind und entscheiden müssten: Wurstbrot oder Pommes mit Ketchup?
Als gebürtiger Franzose gehört beides nicht zu meinen Leibspeisen. Richtig aber ist, dass es in der Struktur unserer Gesellschaft in den letzten 500 Jahren riesige Veränderungen gab – unter anderem auch in der Art, wie man kocht. Essen ist nun mal eine Notwendigkeit und gibt unserem Körper die erforderliche Kraft. Essen ist aber auch eine Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen und Gott für die Gaben der Natur zu danken. Natürlich gibt es auch Momente, in denen man kaum Zeit hat, aber trotzdem schnell eine kleine Stärkung braucht. Übrigens: Ketchup ist keine Erfindung der Neuzeit! Bereits 1732 hat der Botaniker Richard Bradley ein Ketchup-Rezept publiziert, das als Sauce für verschiedene Speisen diente.
Wein oder Bier?
Das ist einfach zu beantworten: „Alles im Leben hat seine Zeit“steht schon in der Bibel. Und das gilt auch bei der Wahl der Getränke. Zu einem guten Essen gehört für mich auch ein guter Wein, nach einem anstrengenden Tag oder zu einem deftigen Essen bevorzuge ich dann doch ein kühles Bier. Natürlich spielen hier viele Faktoren eine Rolle: Ort, Temperatur und auch die Stimmung.
Wie ist Ihre Liebe zum Kochen eigentlich entstanden?
Schon als kleines Kind hat mich die Küche interessiert. Insbesondere die Wochenenden waren für mich eine faszinierende Zeit. Während der Woche kochte meine Mutter. Samstags und sonntags übernahm mein Vater diese Aufgabe. Und so hatte meine Mama Zeit, mit uns Kindern – wir waren zu viert – etwas zu unternehmen. Ich hatte aber nur ein Interesse: schauen, was der Papa macht – schauen, was der Papa auf die Teller zaubert. Ich hing permanent an seiner Schürze. Koch zu werden war immer mein Traum. So habe ich direkt nach Abschluss der Schule eine Lehre in einem elsässischen Restaurant begonnen. Es war eine harte Zeit, aber der Ehrgeiz und der Wille, noch besser zu werden als mein Vater, haben gesiegt. Und je mehr ich lernte, umso interessanter wurde es. Es kam die Zeit des Staunens über die wunderbaren Produkte, die verschiedenen Gerüche, die Magie der Kombination. Ich war total begeistert. Kochen wurde zur Herzensangelegenheit. Auch heute noch macht es mir Spaß, sofern es meine Zeit erlaubt, für meine Mitbrüder und die Besucher unseres Gästehauses St. Lioba zu kochen.
Ein guter Koch soll Talent, Fleiß und Geduld mitbringen. War das auch bei Ihnen so?
Diese drei Eigenschaften sind Grundvoraussetzung, um überhaupt Koch zu werden. Ein wirklich guter Koch muss aber noch einiges mehr mitbringen. Er braucht die Begeisterung für die Produkte, die uns die Schöpfung Gottes zur Verfügung stellt. Dazu die Fantasie, diese Produkte zu verarbeiten, am Herd zu stehen, wenn andere frei haben. Und schließlich den Willen, für seine Gäste etwas Besonderes zu zaubern. Kurz: Er muss mit Leib und Seele dabei sein und sein Handwerk lieben. Nur was man liebt und mit Enthusiasmus macht, das kann man auch gut machen.
Was sind eigentlich Sterneköche: Handwerker oder Künstler?
Beides: Handwerker und Künstler. Der Handwerker muss seine Materialien kennen und wissen, wie diese zu verarbeiten sind. So ist es auch beim Koch: Er muss den Umgang mit den verschiedensten Lebensmitteln beherrschen und wissen, wie sich diese zum Beispiel beim Kochen oder Kühlen verändern. Er muss auch ein Gefühl dafür entwickeln, welche Produkte sich gut kombinieren lassen und welche Aromen miteinander harmonieren. Oder aber, welche Kontraste den Gaumen anregen. Und letztlich isst das Auge auch mit. Nicht nur hier ist dann die Kreativität gefordert. Das Ganze hat sicherlich etwas Künstlerisches!
Fördern die Kochshows im Fernsehen nicht bei manchem Koch den Hang zur Selbstdarstellung?
Unsere Gesellschaft entwickelt sich immer mehr zu einer Event-Gesellschaft. Eine gewisse Ähnlichkeit sehe ich auch bei den vielen Kochshows. Sie gehören mittlerweile zum Showbusiness. Die Leute wollen unterhalten werden – und mancher Koch verdient damit mehr Geld als in seinem Restaurant. Wenn man die Vielzahl der Kochshows und die Einschaltquoten sieht, dann scheinen diese Sendungen ein beliebter Zeitvertreib zu sein. Es ist in gewisser Weise enttäuschend, dass dadurch die Kochgewohnheiten und das gemeinsame Essen kaum an Bedeutung gewinnen
Was kann man tun, damit möglichst wenig Essen weggeworfen werden muss?
Zuerst sollte man vielleicht lernen, sich gesund zu ernähren. Weniger Fertigprodukte, mehr Selbstgekochtes! Wenn man sich vorstellt, dass man das Gemüse selbst geputzt und die Kartoffeln selbst geschält hat, so fällt es einem sicherlich viel schwerer, die Reste dieses Gerichtes in den Müll zu werfen. Etwas, in das ich Zeit und Mühe investiert habe, das ich mit eigenen Händen hergestellt habe – da mache ich mir sicherlich eher Gedanken, wie ich es verwerten kann. Aus Gemüseresten mache ich einfach eine leckere Suppe. Damit schone ich dann die Umwelt und auch meinen Geldbeutel.