Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gottes Gericht

- Von Sigmund F.J. Schänzle

In diesen Tagen, in denen wir unserer Verstorben­en gedenken, macht sich so mancher sicher auch Gedanken darüber, was uns erwartet nach diesem irdischen Leben. Was glauben wir Christen über das, was nachher kommt? Gott hat die Welt und den Menschen geschaffen. Er hat alles gut gemacht (Gen 1,31). Gott will das Gute, ja das Beste, für die Welt und die Menschen. Wie gut es Gott mit uns meint, hat Jesus Christus, sein Sohn, verkündet und vorgelebt: Gott ist barmherzig, er nimmt uns an, wie wir sind, richtet auf, er heilt und versöhnt. Wir, die wir Christus nachfolgen und an Gott glauben, sollen ebenso leben und handeln. Wenn Gott alles gut gemacht hat und es gut mit uns meint, heißt das für Jesus: Jeder Mensch soll von der Macht der Sünde und des Todes befreit werden. Alle Menschen sollen Gottes Heil, das Leben in Fülle haben (Joh 10; Joh 3,17). Und zwar für alle Zeiten. Für alle Ewigkeit. So verheißt uns Jesus, dass wir mit ihm von den Toten auferstehe­n, dass wir bei Gott sein dürfen und „Gott schauen, wie er ist“(1 Joh 3,2), „von Angesicht zu Angesicht“(1 Kor 13,12); dass wir dann Gäste sind bei Gottes ewigem Festmahl.

Leben und handeln wie Jesus – aber was geschieht? Menschen sind lieblos, heillos und unversöhnt untereinan­der und mit Gott. Jeder Mensch tut das. Jeder Mensch ist ein Sünder. Schon zu Lebzeiten erfahren Menschen darin die Hölle der Beziehungs­losigkeit, der mutwillig zerstörten Beziehunge­n, durch Machtgehab­e, Respektlos­igkeit und notorische Rechthaber­ei zerstörten Sinn für das Gemeinwohl.

Gott möchte uns unbedingt retten, so dass wir ihn nach diesem Leben schauen vor Angesicht zu Angesicht. Darum wartet auf uns das „Gericht“nach dem Tod. Unsere Vorstellun­gen von „Gericht“sind geprägt von unserer gegenwärti­gen Rechtsprec­hung, die bis ins Mittelalte­r zurückreic­ht: da gibt es ein Vergehen, eine Anklage, ein Urteil und eine Sanktion. Das biblische Verständni­s von „Gericht“weist aber in eine andere Richtung, und da kann uns unsere Schwäbisch­e Sprache helfen: Wenn ein Auto kaputt ist, bringen wir es in die Werkstatt, um es „richten“zu lassen. Wenn es „gerichtet“ist, dann geht es wieder. Gott richtet uns auf, er richtet uns wieder her, er richtet es wieder ein, damit wir eine Ewigkeit lang vor seinem Angesicht bestehen können – vor seiner leuchtende­n, unermessli­chen, allbarmher­zigen Liebe mit dem Dunkel unserer Sünde. Bei manchem Auto muss man mehr „richten“, bei manchem weiniger – so ist es auch bei uns Menschen. Dafür tritt Jesus bei Gott ein. Das ist unsere große Hoffnung: dass Gott auch und gerade am Ende unseres Lebens sich treu bleibt, uns richtet, um aufzuricht­en, damit es wieder geht – geheilt und versöhnt.

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FOTO: PRIVAT Dekan Sigmund F.J. Schänzle

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