Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie die Seele zu ihrem Namen kam
Die gebackenen Seelen, die es in den Bäckereien in Oberschwaben und dem Allgäu traditionell zu kaufen gibt, und die unsichtbaren, unsterblichen Seelen haben sehr viel miteinander zu tun. Verbunden sind sie durch eine kirchliche Tradition. Zu Allerseelen, jenem katholischen Feiertag nach Allerheiligen, an dem der Toten gedacht wird, wurden früher verschiedene sogenannte Allerseelenbrote gebacken.
Diese besonderen Gebäcke wurden ursprünglich auf die Gräber gelegt. Der Brauch wurzelte in dem alten Volksglauben, demzufolge die Verstorbenen einmal im Jahr zurückkehren auf die Erde und verköstigt werden wollen. Das christliche Allerseelenfest wurde im Jahre 998 eingeführt und wird seit Papst Johannes XIX. (1006) allgemein gefeiert.
Später wurde dieses Allerseelenopfer dann in Gaben an
Arme und Kinder umgewandelt, wie das Museum der Brotkultur in Ulm schreibt. Durch die mildtätigen Gaben für die „armen Seelen“erhoffte man sich auch, sein eigenes Seelenheil zu sichern. Bis zum Ende des
19. Jahrhunderts bettelten die „Seelgeher“in der Allerseelenwoche bei den Bauern um Seelbrote. Das Brauchtumsgebäck wurde aber offenbar auch in der Karwoche gebacken, wie eine Bäckerordnung der Reichsstadt Ravensburg von 1744 besagt.
Aus dem katholischen Feiertagsgebäck wurde mit der Zeit ein Alltagsbrot, das sich auch in die evangelisch geprägten Regionen des Landes ausgebreitet hat, wo Seelen noch vor wenigen Jahrzehnten fast unbekannt waren. (la)