Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein Jahr und acht Monate für prügelnden Asylbewerber
Angeklagter randaliert in Landratsamt, schlägt mit Holzlatten um sich und stellt absurde Forderungen
TUTTLINGEN - Mit Holzlatten geht er im Mai auf Mitarbeiter des Landratsamtes und Passanten los, bis ihn der Sozialdezernent des Landkreises Tuttlingen zu Boden ringt. Unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung musste sich am Montag nun der 48-jährige abgelehnte Asylbewerber aus Pakistan vor dem Tuttlinger Amtsgericht verantworten. Einer der Gründe für seine Aggressionen: Der deutsche Staat habe ihm keine Frau zur Heirat zur Verfügung gestellt.
Es ist der 22. Mai, an dem sich Said K. auf den Weg zum Amt für Aufenthalt und Integration des Landratsamtes in Tuttlingen macht. Aus einem Gebüsch zieht er zwei mit Nägeln gespickte Holzlatten. Wenig später schlägt er damit auf die Fensterscheibe eines Büros ein. „Er hat mich mit seinem hasserfüllten Blick angesehen“, berichtet eine Mitarbeiterin des Amtes später vor Gericht. Sie und ihre Kolleginnen flüchten ins Obergeschoss.
Er zerstört die Fensterscheibe, einen Computermonitor und eine Telefonanlage. Wenig später setzt er seinen Wutanfall auf der Straße fort. Dort hält er Autos an und bedroht die Fahrer. Mit den Holzlatten deutet er immer wieder Schläge in Richtung des Gesichts einer 40-jährigen Frau in einem der Wagen an. Dann taucht hinter dem Schläger Sozialdezernent und CDU-Kreispolitiker Bernd Mager auf, versucht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, bis K. mit den Holzlatten auf ihn zustürmt. Mager ringt den Angreifer nieder. Dabei wird der Politiker im Gesicht verletzt und zieht sich Prellungen am Arm zu. Ein Vorfall, der für überregionales Aufsehen sorgt und doch nur ein Bruchteil ist von dem, weswegen K. am Montag vor Gericht steht.
In seinem runden Gesicht ist kaum eine Regung zu erkennen, sein Blick ist starr und geht ins Nirgendwo. Nur einmal verziehen sich die Mundwinkel des Angeklagten zu einem Lächeln: als es darum geht, dass K. nach seiner Verhaftung im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim einen Mithäftling vergewaltigt haben soll. „Er hat mich nicht Fernsehen schauen lassen“, begründet der 48Jährige die Tat, die im Zentrum eines weiteren Verfahrens stehen wird. Inzwischen wurde K. ins Ravensburger Gefängnis verlegt.
Security schützt Mitarbeiter
Schon mehrfach war der Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft in Tuttlingen aufgefallen. Fast regelmäßig hatte er dort randaliert, Fenster und Türen eingeschlagen und eintreffende Polizeibeamte attackiert. Im Landratsamt hatte er bereits seit Monaten Hausverbot. Zuletzt mussten Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens den Eingang bewachen. Mehrfach hatte der Angeklagte herumgeschrien und Mitarbeiter mit Gegenständen beworfen.
Im April zerlegte er mit einem Ast ein Kassenhäuschen im Landratsamt. Und immer wieder forderte K. von den Mitarbeitern: eine Ehefrau. „Die Mitarbeiter haben Angst vor ihm“, sagt eine Sachbearbeiterin des Landratsamtes vor Gericht. Einer Kollegin soll er gar in einer Tiefgarage aufgelauert haben.
Die Taten räumte der Angeklagte ein. „Entweder ihr arrangiert mir eine Hochzeit oder schickt mich zurück nach Pakistan“, lässt er seinen Dolmetscher übersetzen. Ein Wunsch, an dessen Erfüllung schon lange gearbeitet wird. Das Polizeipräsidium Tuttlingen hatte eigens einen Arbeitskreis eingerichtet, der sich einzig mit dem Ziel beschäftigte, die Identität des aggressiven Asylbewerbers soweit zu klären, um ihn abschieben zu können. Sein Asylantrag war bereits 2016 abgelehnt worden – eine Abschiebung aber mangels fehlender Papiere nicht möglich.
Im Vordergrund der Verhandlung stand die Frage: Ist der 48-Jährige schuldfähig? Ein Gutachten wies ihm zwar psychopathische Züge nach, jedoch lägen keine Anzeichen für eine psychische Erkrankung vor, die die Schuldfähigkeit mindere, hieß es vor Gericht. „Die Beweisaufnahme hat auf eindrückliche Weise gezeigt, wie der Angeklagte einen respektlosen Rachefeldzug verfolgt hat“, sagte die Staatsanwältin. Sie forderte eine Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten – ohne Bewährung. Diesem Antrag folgte Richter Thomas Straub. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.