Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mühsame Zeiten für Anleger
Nullzinsphase und Aktienmarktturbulenzen: Ausblick auf das Anlagejahr 2019
RAVENSBURG - Der Oktober ist bei Aktienanlegern berühmt-berüchtigt. Im historischen Rückblick haben in diesem Monat etliche der schlimmsten Kurseinbrüche ihren Anfang genommen. Auch in diesem Jahr ging es an den Aktienmärkten im Oktober turbulent zu: Deutsche Dividendentitel haben – gemessen am Standardwerteindex Dax – 6,5 Prozent an Wert verloren. „Wir verarbeiten an der Börse gerade die vielen schwierigen politischen Nachrichten“, erklärt Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdienstleistungen an der Hochschule Aschaffenburg die Lage an den Finanzmärkten. Von der Aktie als Anlageinstrument will der Experte deshalb aber nicht abrücken. Anleger müssten zwar mit schwankenden Märkten und geringeren Renditen als in der Vergangenheit rechnen. „Doch das Ertragsniveau der Gesellschaften, der fundamentale Treiber für die Kurse, ist nach wie vor hervorragend“, sagt Webersinke.
Und was heißt das für Anleger mit Blick auf das Jahr 2019? Dass Aktien in keinem gut diversifizierten Portfolio fehlen sollten. Zweifellos sind die Risikofaktoren für die Weltwirtschaft und damit für die Geschäftsperspektiven der Unternehmen größer geworden. Der von den Vereinigten Staaten vom Zaun gebrochene Handelsstreit untergräbt die internationale Zusammenarbeit und die Arbeitsteilung und vernichtet Wohlstand. Doch Webersinke warnt vor Krisenszenarien. Die seien nicht angebracht. „Wir werden wohl ein nachlassendes Wachstum der Weltwirtschaft sehen, aber tiefgreifende Einbrüche sind nicht zu befürchten.“Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte im Sommer in einer Schadensimulation errechnet, dass die protektionistischen Maßnahmen ein Wachstumsminus für die Weltwirtschaft von bis zu 0,5 Prozentpunkten ausmachen. Anfang Oktober reduzierte der IWF die globalen Wachstumsprognosen für dieses und für nächstes Jahr auf 3,7 Prozent – also nur 0,2 Prozentpunkte weniger als zuvor.
Vermögen breit streuen
Für Aktienanleger ist ein solches Szenario gar nicht mal so schlecht. Denn es nimmt den Inflations- und damit auch den Zinsdruck weg. „Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, wird seine Amtszeit im Oktober 2019 ohne Zinserhöhung beenden“, prognostiziert Webersinke und kann sich sogar vorstellen, dass die Nullzinsphase noch deutlich länger dauert – wenn die Wirtschaft nämlich stärker schwächelt und die Inflationsrate nicht aus dem Ruder läuft. In Europa seien höhere Zinsen zudem politisch nicht gewollt, da sie das Bankensystem insbesondere in den hoch verschuldeten südeuropäischen Ländern in Turbulenzen stürzen könnten. „Die Zinsseite bietet für Anleger auf absehbare Zeit daher keine Hilfe“, so Webersinke.
Und die Immobilienmärkte? Viele fürchten sich hier vor einer Blase. „Die Spielregeln sind hier ähnlich wie bei Aktien“, beruhigt Webersinke. Man muss halt noch genauer auf Faktoren wie Standort und Konzept achten und die Renditen schrumpfen ebenfalls. Aber die Nachfrage bleibe zumindest in Deutschland hoch, betont Webersinke. Ausländische Investoren drängen nach wie vor auf die Märkte, auch infolge der großen Unsicherheiten in vielen Weltregionen. Da statistisch gesehen aber bereits 55 Prozent des Privatvermögens der Deutschen in Immobilien gebunden sei, müsse die Frage erlaubt sein, ob eine vierte Eigentumswohnung tatsächlich Sinn mache, so Webersinke.
Auch wenn der Weg zum Anlageerfolg mühsamer wird – eines sollten Anleger auf jeden Fall tun: das Vermögen breit gestreut anlegen. „Die Antwort auf Unsicherheit lautet: Diversifikation“, betont der erfahrene Finanzspezialist. Das sei zwar heute schwieriger als zu Zeiten sprudelnder Zinsen und steigender Kurse, „aber dazu gibt es keine Alternative“. Braucht es vielleicht auch nicht, denn mit einer diversifizierten Geldanlage fährt man in den verschiedensten Marktlagen in der Regel besser. Wenn eine Anlageklasse fällt, steigt meist dafür eine andere, und unterm Strich kommt mehr Ruhe ins Portfolio und ins Leben.