Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Meine Bilder sind Tagebücher“
Maler Horst Reichle präsentiert die Ausstellung „Rückbezügliches“im Landratsamt
BIBERACH - „Meine Bilder sind Tagebücher“, sagt der Biberacher Künstler Horst Reichle über seine Werke, die ihn und sein Leben, sein Fühlen und Denken optimal schildern. Zur Eröffnung der Ausstellung „Rückbezügliches“sind mehrere Hundert Besucher in den großen Sitzungssaal des Landratsamts gekommen.
Landrat Heiko Schmid sprach das Grußwort und erläuterte vier Blicke auf den Künstler Horst Reichle. Schmid erzählte, dass der Bildhauer Reichle an einem Findling aus der Riß-Eiszeit mit Motiven der Narrenzunft Zeller Schwarze Katz arbeitet, Themen oberschwäbischen Brauchtums. Sein zweiter Blick galt dem 26.12.2018, denn am Stephanstag feiert Horst Reichle seinen 80. Geburtstag. „Kunst erhält jung“, so Schmid. Den dritten Blick richtete der Landrat auf eine Jugendarbeit von Horst Reichle. Der entwarf im Auftrag des damaligen Landrats Paul Heckmann vor 50 Jahren das Kreiswappen, das seitdem überall präsent ist, auch im Sitzungssaal des Landratsamts. Den vierten Blick richtete Schmid auf die Werke der Ausstellung. Eine erste Einzelausstellung fand im Landratsamt bereits 1979 statt. In der jetzigen Ausstellung ist das Bild „Traumschloss“von 2008 zu sehen, eine Schenkung des Künstlers an den Landkreis Biberach. Heiko Schmid dazu: „Das Werk ist abstrakt und hat doch ein erzählerisches Moment, es ist voller starker Farben und eröffnet zugleich verblüffende Blicke auf Zwischentöne.“
Der Ochsenhauser Kulturamtsleiter Michael Schmid-Sax gab dann die Einführung in die Ausstellung, eröffnete mit einem Satz von Goethe: „Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und ein vernünftiges Wort sprechen.“Und der Redner schließt den Bogen zu den viel mehr als „nur“ Bei der Ausstellungseröffnung erfahren die Besucher viel über den Biberacher Künstler (von links): Michael Schmid-Sax, Brigitte Reichle, Maler Horst Reichle und Landrat Heiko Schmid.
trefflichen Gemälden von Horst Reichle, zur Musik des Jugendmusikschul-Trompetentrios, das Mozart und Jazzstandards spielte, zu Gesprächen mit dem Künstler.
Er erzählte dann aus dem Leben des Malers, der inmitten Biberachs am Markplatz aufgewachsen ist, der als Kind Figuren und Strichmännchen auf den Asphalt malte. Er war, so der Redner, vom „Kunstgen“infiziert. Sein 1944 gefallener Vater und sein Großvater waren ebenfalls Bildhauer gewesen. Nach einer Lehre als Schaufenstergestalter folgte von 1957 bis 1961 in München das Grafik-Studium. Es folgten Weiterbildungen in Salzburg, wo er einige Jahre Assistent an der Sommerakademie für bildende Kunst war und zwei Stipendien erhielt. „Heute, 60 Jahre nach der ersten Ausstellungsbeteiligung 1958 und etwa 200 Ausstellungen später, haben wir ein künstlerisches Werk vor uns liegen, das in seiner Vielfalt fast nicht mehr überschaubar
ist“, sagte Schmid-Sax.
Der Redner zeigte dann das breite Spektrum an Techniken und Stilen auf, ging auf die unterschiedlichsten Motive ein, sprach über die künstlerisch fruchtbaren Reisen Reichles. Dieser befasste sich auch mit literarischen Themen, denn neben der Landschaft war es immer der Mensch mit all seinen Widersprüchlichkeiten, der ihn faszinierte und anregte. Seine Bilder, so Schmid-Sax, geben Erlebtes, Erfahrenes, Erfühltes und Erträumtes wieder. Titel von Reichles Bildern etwa sind „Fabulieren“, „Erraten, spüren“, „Vielfalt“, „Turbulente Tage“. Und er malt bis heute ausschließlich mit Öl auf von ihm selbst grundierten Leinwänden.
Reichle hat an geschätzt etwa 50 Künstlersymposien teilgenommen oder diese selbst organisiert. Zwei Fixpunkte sind es, die Reichles Leben bis heute prägen, so der Redner. Der erste emotionale Fixpunkt ist seine Frau Brigitte, ebenfalls eine Biberacherin,
mit der er seit mehr als 50 Jahren verheiratet ist. Der zweite Fixpunkt ist der Venishof bei Oberessendorf von 1733, auf dem er seit 1975 lebt und arbeitet. Hier schöpft Horst Reichle seit mehr als 40 Jahren die Kraft und Energie für seine künstlerische Arbeit. Hier, tief in der oberschwäbischen Provinz, liegen seine Wurzeln.
Horst Reichle bedankte sich für die Einladung zur Ausstellung, freute sich, Menschen wiederzusehen, die ihm in seinem langen Leben begegnet sind ,und schließt mit einem Lächeln: „In der Kunst ist alles eine Sache der Interpretation.“
Die Ausstellung im Biberacher Landratsamt ist noch bis zum 14. Dezember zu sehen. Öffnungszeiten sind Montag, Dienstag, Donnerstag jeweils von 8 bis 16 Uhr, Mittwoch von 8 bis 17 Uhr und am Freitag von 8 bis 12 Uhr.