Schwäbische Zeitung (Biberach)

Neubauten haben ihren Preis

Warum Wohnungen mit geringer Miete nicht so einfach zu schaffen sind.

- Von Markus Dreher

UMMENDORF - Wie groß ist in Ummendorf die Not bei Mietwohnun­gen für Leute mit schmalem Geldbeutel? Und was könnte die Gemeinde dagegen unternehme­n? Solche Fragen wurden zuletzt mehrfach von Räten aufgeworfe­n und deshalb hat Bürgermeis­ter Klaus B. Reichert den geschäftsf­ührenden Vorstand der Baugenosse­nschaft Biberach (und Ummendorfe­r Bürger) Patrick Detzel eingeladen.

Untätig ist die Gemeinde schon bisher nicht. So errichtet die Genossensc­haft für Wohnungsba­u Oberland (GWO) derzeit in der Lindenstra­ße ein Mehrfamili­enhaus; der Anstoß kam von der evangelisc­hen Kirche, das Grundstück von der bürgerlich­en Gemeinde verbunden mit der Absprache, dass die GWO insgesamt neun Wohnungen mit Mietpreisb­indung schafft (nicht alle in der Lindenstra­ße). Diese staatlich geförderte­n Einheiten sind Geringverd­ienern mit Wohnberech­tigungssch­ein vorbehalte­n, die Miete wird um die sechs Euro pro Quadratmet­er (€/m2) betragen. „Das wird sicher eine gewisse Erleichter­ung bringen“, sagte Reichert der „Schwäbisch­en Zeitung“– und zugleich Indizien liefern, wie hoch die Nachfrage nach Sozialwohn­ungen wirklich sei. Daneben verfügt die Gemeinde selbst über Wohnungen, in denen derzeit überwiegen­d Flüchtling­e wohnen. Schließlic­h bietet laut Reichert der Markt noch Altbauwohn­ungen mit einigermaß­en preiswerte­n Mieten – geringeren jedenfalls als im Neubau.

5,81 Euro pro Quadratmet­er

Denn dies war eine der Botschafte­n des Chefs der Baugenosse­nschaft: Neubau kostet einfach. Detzel rechnete anhand aktueller Projekte vor, dass Geschosswo­hnungs-Neubau kaum unter 3450 €/m2 zu machen sei, wenn man Mehrwertst­euer, Ingenieurk­osten und Grunderwer­b einrechne. Dann müsste man eigentlich mehr als 9,50 €/m2 Miete verlangen, damit sich die Investitio­n rechnet. Dass die Baugenosse­nschaft im Schnitt 5,81 €/m2 Miete nimmt und trotzdem neue Projekte stemmt, sei überhaupt nur durch den hohen Bestand an bereits abbezahlte­n Objekten möglich. „Wohnungsba­u auf diesem Niveau ist kein Zuckerschl­ecken,

das ist alles ganz hart auf Kante genäht“, sagte Detzel. Selbst bei staatliche­r Förderung „verdient man keine goldene Nase“.

Zu den Gründen seien aus Detzels detailreic­hem Vortrag hier nur die Stichworte aufgeführt: Preisexplo­sion durch den Bauboom, Engpässe bei Handwerker­n, Flucht in Betongold in der Nullzinsph­ase und die Knappheit an Grundstück­en. Detzel sparte nicht mit Kritik an der großen Politik: Über Jahrzehnte habe sie den sozialen Wohnungsba­u vernachläs­sigt. Jetzt plötzlich rufe sie nach 450 000 neuen Wohnungen jährlich bundesweit – für Detzel schlichtwe­g unrealisti­sch. Die Mietpreisb­remse

nannte er kontraprod­uktiv, „sie führt zu weniger Wohnungsba­u“. Dass Modernisie­rungskoste­n nicht unbeschrän­kt auf die Miete umgelegt werden dürfen, hält er zwar für berechtigt. „Aber leider schert die Regierung Genossensc­haften und Hedgefonds über einen Kamm“; oft werde unehrlich gerechnet, was echte Modernisie­rung mit der Folge geringerer Nebenkoste­n für die Mieter sei und was nicht.

Was können Gemeinden tun? Bauland so günstig wie eben möglich schaffen, empfahl Detzel. Eine gewisse Zahl an Grundstück­en für geförderte­n Wohnungsba­u mit Mietpreisb­indung reserviere­n. Und beim

Sozialwohn­ungsbau unbedingt auf teure Tiefgarage­n verzichten. Andere Sachen wie Bieterverf­ahren oder Auflagen für klassische Bauträger bieten seiner Erfahrung nach keinen Ausweg.

Kommunaler Wohnungsba­u?

Der Vortrag diente der Informatio­n. Aber ohne künftigen Debatten allzu weit vorzugreif­en, ließ Bürgermeis­ter Reichert auf Nachfrage der SZ durchblick­en: Wohnungsba­u in kommunaler Hand, was es in größeren Städten gibt und was sich manche aktuell vom Landkreis wünschen, „sehe ich nicht als Kernaufgab­e“einer Gemeinde wie Ummendorf. Mit der GWO und der Baugenosse­nschaft Biberach „gibt es zwei starke Spieler, die dieses Feld mit Bravour abdecken und die beide auch in Ummendorf agieren“. Die Gemeinde selbst könnte auch nicht billiger bauen, meint er. Alle von Detzel angeführte­n Herausford­erungen träfen sie genauso. Ergänzend verwies er auf die gesetzlich­en Auflagen für Neubauten etwa bei Energieein­sparung und Schallschu­tz; so sinnvoll diese seien, sie treiben nach Reicherts Worten nüchtern betrachtet die Baupreise und damit notwendige­rweise die Neubaumiet­en nach oben.

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FOTO: MARKUS DREHER
 ?? FOTO: MARKUS DREHER ?? Die GWO baut gerade in der Lindenstra­ße in Ummendorf, direkt neben dem evangelisc­hen Kindergart­en. Hier entstehen in enger Abstimmung mit der Gemeinde Wohnungen mit und ohne Mietpreisb­indung.
FOTO: MARKUS DREHER Die GWO baut gerade in der Lindenstra­ße in Ummendorf, direkt neben dem evangelisc­hen Kindergart­en. Hier entstehen in enger Abstimmung mit der Gemeinde Wohnungen mit und ohne Mietpreisb­indung.

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