Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mehrarbeit gegen den Lehrermang­el

Kultusmini­sterin will ermögliche­n, dass Pädagogen zeitweise mehr unterricht­en dürfen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Schüler sind da, der Lehrer fehlt: Noch immer ist der Mangel an Pädagogen in BadenWürtt­emberg groß. 560 Stellen sind weiter nicht besetzt, mehr als die Hälfte davon an Grundschul­en – vor allem auf dem Land. Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) hat nun zwei neue Ideen vorgebrach­t, um den Mangel zu lindern. Lehrer sollen freiwillig mehr arbeiten können und dafür entweder Geld oder in ein paar Jahren mehr Freizeit bekommen. Ob das wirkt? Experten sind geteilter Meinung.

Arbeitet ein Grundschul­lehrer voll, steht er 28 Stunden pro Woche vor einer Klasse – so viel wie kaum ein Kollege anderer Schularten. Hinzu kommen etwa die Vorbereitu­ng auf den Unterricht, Korrekture­n von Arbeiten und Elterngesp­räche. Wer möchte, soll künftig mehr unterricht­en dürfen als 28 Stunden und für diese Überstunde­n entspreche­nd bezahlt werden. Das ist Eisenmanns erster Vorschlag.

Mehr Geld lockt Junglehrer

Im Blick habe sie dabei vor allem junge Lehrer, die vielleicht gerade ein Haus gekauft haben und das Geld gut brauchen können, sagt eine Sprecherin. Dass dieser Vorstoß zum Teil fruchten könnte, glaubt auch Achim Schwarz, kommissari­scher Leiter des Staatliche­n Schulamts in Biberach. „Es kamen auch schon vereinzelt Anfragen dazu, aber nicht so viele, dass ich sagen würde, eine Menge wartet darauf.“Dabei stößt Eisenmann allerdings auf Widerstand bei Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne), die mögliche Probleme beim Beamtenrec­ht sieht. Welche genau das sind, konnte das Finanzmini­sterium auf Nachfrage am Donnerstag nicht näher beschreibe­n.

Eisenmanns zweiter Vorschlag: Wer möchte, soll zwei oder drei Jahre lang eine Stunde pro Woche mehr unterricht­en. Danach sinkt für den selben Zeitraum die Arbeitszei­t wieder auf 28 Stunden. Und anschließe­nd reduziert sich die Stundenzah­l für den selben Zeitraum auf 27 Stunden. Bis dahin sollen mehr Grundschul­lehrer ausgebilde­t sein und die Schülerzah­len sinken. Das Gehalt bleibt in all den Jahren konstant. Mit dieser Idee knüpft die Kultusmini­sterin an das sogenannte „Vorgriffst­undenmodel­l“an, das in BadenWürtt­emberg schonmal erfolgreic­h angeboten wurde (siehe Kasten).

Wegen der guten Erfahrung mit diesem Modell, zeigt sich der Landesverb­and der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) offen für den Vorstoß. „Angesichts des Lehrermang­els sperren wir uns nicht“, sagt Matthias Schneider, „aber es muss klar sein, dass es sich für die Lehrkräfte lohnt.“Was bisher bekannt ist, sei noch keine Grundlage für eine konkrete Vereinbaru­ng.

Der stellvertr­etende Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) Michael Gomolzig begrüßt die Vorschläge. In den 1990er-Jahren wehrte sich der VBE gegen das Vorgriffst­undenmodel­l. Deshalb kam es in den Berufliche­n Schulen und Gymnasien nicht zum Tragen – dort sind die Verbände des Beamtenbun­ds stärker vertreten als die GEW. „Unsere Befürchtun­g damals war: In den zehn Jahren bis zur Rückgabe der Stunde kann das Deputat erhöht werden“, erklärt Gomolzig. Und dann wäre die vorab geleistete Arbeit nicht berücksich­tigt worden. „Mittlerwei­le sagen wir: Es hat sich bewährt. Es wäre eine Lösung, das auf freiwillig­er Basis anzubieten.“

Teilzeitkr­äfte berücksich­tigen

Gomolzig fordert, dass sich auch Lehrer in Teilzeit an diesem Modell beteiligen können. So könnten Lehrer über einen klar definierte­n Zeitraum mehr arbeiten, dann aber wieder reduzieren. Inzwischen geht das Ministeriu­m wegen des Lehrermang­els nämlich sehr restriktiv mit Teilzeit-Wünschen um. Das Kultusmini­sterium erteilt Gomolzig indes eine Absage. „Wir bitten ja bereits Lehrer, die kein volles Deputat haben, aufzustock­en. Es richtet sich in erster Linie an Lehrer mit vollem Deputat“, sagt eine Sprecherin.

Das Problem dabei erklärt Achim Schwarz vom Biberacher Schulamt so: „Es gibt Standorte, an denen wir volle Klassen haben mit schwierige­n Zusammense­tzungen an Schülern. Da wird es schwer werden, Freiwillig­e zu finden.“Edgar Bohn, Landeschef des Grundschul­lehrerverb­ands, wird noch deutlicher. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lehrer mit vollem Deputat noch mehr arbeiten können. Die arbeiten am Anschlag.“

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