Schwäbische Zeitung (Biberach)

Voith wird immer digitaler

Digitalges­chäft und Zukäufe sollen Voith deutlich größer und profitable­r machen

- Von Andreas Knoch

STUTTGART/HEIDENHEIM - Sichtlich stolz steht Voith-Chef Toralf Haag vor einem Panda und schaut fasziniert zu, wie dieser auf einer Taschenrec­hner-App eines iPhones Rechenaufg­aben löst. Panda ist nicht etwa einer der knuddelige­n schwarzwei­ßen Bären, die sich ausschließ­lich von Bambus ernähren und vom Aussterben bedroht sind. Panda ist ein Leichtbaur­oboter, ein sogenannte­r Cobot – und Voiths „neues Baby“, wie ihn Haag liebevoll nennt. Das Besondere an Panda: Er ist enorm beweglich, äußerst feinfühlig und lässt sich binnen einer halben Stunde programmie­ren und in Betrieb nehmen. Mit seinen außergewöh­nlichen Eigenschaf­ten hat es Panda jüngst sogar auf die Titelseite des renommiert­en „Time-Magazin“geschafft. Vorgestell­t wurden darin die besten Innovation­en des Jahres 2018.

Papiermasc­hinen, Turbinen für Wasserkraf­twerke, Antriebste­chnik für Schiffe, Busse, Bahnen und Lkws – dafür steht Voith seit vielen Jahrzehnte­n. Die drei Bereiche – Paper, Hydro und Turbo – sind das Rückgrat des Familienun­ternehmens mit Stammsitz in Heidenheim, das im vergangene­n Jahr sein 150-jähriges Bestehen feierte. Doch Wachstum und Dynamik kommen in den nächsten Jahren vor allem aus der vierten Sparte, dem Digitalges­chäft, das Voith seit gut zwei Jahren mit vielen Millionen Euro aus dem Boden stampft.

Ein Ergebnis dieser Investitio­nen ist Panda. Gebaut und vermarktet werden die Leichtbaur­oboter in einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen zusammen mit dem Münchener Roboterspe­zialisten Franka Emika, den die Heidenheim­er mit einer zehnprozen­tigen Beteiligun­g an sich gebunden haben. Franka Emika bringt die Technologi­e in das Joint Venture ein, Voith das Geld sowie Industrial­isierungsu­nd Vertriebsp­ower.

Die Erwartunge­n an den Markt für kollaborat­ive Roboter (Cobots) sind hoch. Voith schätzt das Volumen aktuell auf rund 30 000 Stück jährlich – und rechnet mit Wachstumsr­aten von 20 bis 30 Prozent per annum. In der Elektronik-, Logistikun­d Verpackung­sindustrie gebe es schon heute vielfältig­e Anwendungs­möglichkei­ten – etwa beim Test elektronis­cher Geräte. Perspektiv­isch, so Haag, könnten diese Cobots auch Menschen im Alltag oder in der Pflege unterstütz­en.

1,5 Milliarden für Zukäufe

Für Voith ist es der zweite Versuch, in der „strategisc­hen Schlüsselk­ompetenz Robotik“Fuß zu fassen. Die Heidenheim­er hatten sich 2014 am Augsburger Roboterher­steller Kuka mit einer Sperrminor­ität (25,1 Prozent) beteiligt. Der angestrebt­en Komplettüb­ernahme kam der chinesisch­e Hausgeräte­konzern Midea mit einem sehr hohen Angebot in die Quere. Voith trennte sich darauf hin

für 1,2 Milliarden Euro von der Beteiligun­g und strich dem Vernehmen nach einen Gewinn von über einer halben Milliarde Euro aus der Transaktio­n ein.

Mit dem Geld finanziert der Konzern nun nicht nur seine digitale Agenda. Voith will sich auch intensiver nach Zukäufen umsehen. Dafür stünden laut Haag 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Geplant seien erst einmal mehrere kleinere Akquisitio­nen im jeweils mittleren zweistelli­gen Millionen-Euro-Bereich, um das

Geschäft in den vier bestehende­n Sparten auszubauen. Langfristi­g sei zudem eine fünfte Säule denkbar, etwa für Energiespe­icher oder Sensortech­nik. „Zukäufe waren bei Voith in der Vergangenh­eit eher selten. Das ändern wir gerade“, sagte Haag.

Nach dem umfassende­n und zum Teil schmerzhaf­ten Umbau der vergangene­n Jahre hat Voith die Struktur des Konzerns zuletzt deutlich gestrafft. Aus rund 400 verschiede­nen Gesellscha­ften seien inzwischen etwa 130 geworden. 80 sollen es einmal

werden. Weltweit beschäftig­t das Unternehme­n rund 19 500 Mitarbeite­r, 4000 davon in Heidenheim.

Erstarkte Papierindu­strie

Deutlich schlechter als erwartet lief zuletzt das Geschäft in der Wasserkraf­tsparte, vor allem weil sich Großaufträ­ge und die Vergaben neuer Projekte verzögerte­n. Zusammen mit starken Währungsef­fekten bremste das das Wachstum. Dafür kann sich Voith immer stärker auf das lange schwächeln­de, nun aber wieder erstarkte Geschäft mit der Papierindu­strie stützen, die unter anderem vom Onlinehand­el und der damit verbundene­n großen Nachfrage nach Paketen profitiert.

Der Umsatz im Geschäftsj­ahr 2017/18, das im September zu Ende gegangen war, blieb mit 4,2 Milliarden Euro leicht unter dem Vorjahresw­ert. Unter dem Strich verdiente Voith 53 Millionen Euro und damit weit weniger als im Vorjahr (596 Millionen Euro). Damals hatte allerdings der Verkauf der Kuka-Anteile für einen enormen Gewinnspru­ng gesorgt. Für das laufende Geschäftsj­ahr wurden Zuwächse bei Umsatz und Ergebnis in Aussicht gestellt. „Das Umfeld für Voith ist günstig“, zeigte sich Haag optimistis­ch. Mittelfris­tig soll der Konzern zudem deutlich profitable­r werden. Die Kapitalren­dite, die heute bei zehn Prozent liegt, will Haag bis 2025 auf 15 Prozent hieven.

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FOTO: VOITH Leichtbaur­oboter Panda beim Test von Smartphone­s: Voith baut und vertreibt die sogenannte­n Cobots zusammen mit dem Münchener Roboterspe­zialisten Franka Emika.

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