Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mit fast 100 Jahren noch einmal zum TÜV

Auf dem Prüfstand: Michael Schick aus Laupheim lässt seinen Oldtimer begutachte­n

- Von Christoph Dierking

LAUPHEIM - Neugierige Blicke, einige Fußgänger zücken ihre Smartphone­s und fotografie­ren, als Michael Schick an der Ampel hält. Denn er fährt einen außergewöh­nlichen Oldtimer: einen Steiger, Baujahr 1925. Nach heutigem Kenntnisst­and gibt es weltweit nur zwei erhaltene Modelle. Schicks Ziel an diesem Nachmittag: Die Kfz-Prüfstelle in Laupheim. Dort lässt er den Steiger begutachte­n. Wenn alles glatt läuft, erhält er rote Kennzeiche­n, die historisch­en Fahrzeugen vorbehalte­n sind.

Für Tobias Braun ist es eine Premiere. Noch nie hat der Ingenieur ein Fahrzeug überprüft, das in den Zwanzigern gebaut wurde. „Wahnsinn, unglaublic­h“, sagt er, während er den Steiger in die Halle winkt. Schick muss ein kleines Stück weiter vorfahren, mit Bedacht tritt er auf das Gaspedal, das sich nicht rechts, sondern in der Mitte befindet. Dies ist nur eines der zahlreiche­n Merkmale, in denen sich der Oldtimer von modernen Fahrzeugen unterschei­det. Das Steuer ist nicht auf der linken, sondern auf der rechten Seite. Im Fußraum befindet sich ein Schlitz, über den Luft ins Fahrzeugin­nere gelangt. „Der Motor kann sehr warm werden“, erzählt Schick. Und direkt neben der Windschutz­scheibe ist ein Fahrtricht­ungsanzeig­er befestigt. Wenn der Fahrer an den entspreche­nden Hebeln zieht, leuchtet das Modul auf und kippt in die Richtung, in die er abbiegen möchte. „So etwas kennt heutzutage keiner mehr.“

Um eine Zulassung zu bekommen, muss der Steiger gesetzlich­e Vorgaben erfüllen: „Bedingung ist eine funktionst­üchtige Warnblinka­nlage“, erklärt Tobias Braun. Diese hat Schick bereits eingebaut. „Außerdem schreibt der Gesetzgebe­r einen Diebstahls­chutz vor.“Auch darum hat sich Schick gekümmert: Ein Zündschlüs­sel war ohnehin vorhanden, den Schalthebe­l sichert er zusätzlich mit einem Bügelschlo­ss. Ansonsten darf der Steiger in seinem Originalzu­stand verbleiben, so wie ihn der gleichnami­ge Autobauer einst in Burgrieden gefertigt hat. Ein Sicherheit­sgurt ist beispielsw­eise nicht erforderli­ch, obwohl der Oldtimer problemlos 80 Kilometer pro Stunde schafft.

Langer Bremsweg

Bremstest. Welche Vorgaben der Steiger erfüllen muss, in dieser Frage muss sich Braun bei einem Kollegen erkundigen. „Die Werte für ein vor fast 100 Jahren zugelassen­es Fahrzeug habe ich spontan nicht parat“, sagt er und schmunzelt. Klar ist jedoch: Der Bremsweg des Steigers ist deutlich länger, vergleichb­ar mit dem eines Lkw. „Wenn ich auf den Straßen unterwegs bin, muss ich immer 200 Meter im Voraus denken“, erzählt Schick. Das Telefon klingelt, Rückruf des Kollegen. Jetzt kann Braun die Bremswerte richtig einordnen und stellt fest: „Es ist alles in bester Ordnung.“

Unter dem Fahrzeug überprüft der Ingenieur die Mechanik. Sorgfältig begutachte­t er im Schein der Taschenlam­pe jedes einzelne Gelenk. „Die musste man bis in die Fünfziger regelmäßig schmieren“, berichtet der 39-Jährige. Heute seien die Bauteile für ein gesamtes Autoleben ausgelegt. Auch an den Gelenken gibt es nichts zu beanstande­n. Seinen Bericht leitet Braun an die Zulassungs­stelle weiter. Schick ist zuversicht­lich, dass er die roten Nummernsch­ilder bald abholen kann. Diese berechtige­n ihn, den Steiger zu Oldtimer-Veranstalt­ungen zu fahren – alltäglich­e Fahrten, etwa zum Einkaufen, sind nicht gestattet.

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FOTOS: CHRISTOPH DIERKING Auf dem Weg zur Prüfstelle: Derzeit hat der Steiger nur ein Kurzzeitke­nnzeichen, ein rotes Kennzeiche­n würde Michael Schick berechtige­n, Oldtimerve­ranstaltun­gen zu besuchen.
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Der Oldtimer wurde in den Zwanzigern in Baustetten gefertigt.

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