Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das Ende der Wasserauto­bahn

Die Iller soll zwischen Kellmünz und Neu-Ulm saniert werden

- Von Ronald Hinzpeter

SENDEN/VÖHRINGEN - Man könnte es auch so sagen: Bis die Iller zwischen Kellmünz und Neu-Ulm wieder einigermaß­en ökologisch saniert ist, fließt noch viel Wasser in die Donau. Zehn Jahre soll es im Rahmen des Plans „Agile Iller“dauern, die Begradigun­gen vergangene­r Jahrzehnte rückgängig zu machen und für eine natürliche­re Gestaltung des Flussbetts zu sorgen. Vermutlich wird das nicht reichen, das deutete am Montag der zuständige Mann vom Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth im Umwelt- und Werkaussch­uss des Landkreise­s an. „Realistisc­herweise muss man sagen, es wird länger dauern“, sagte Gunther Wölfle. Vermutlich dürfte es dann auch nicht mit den für die Sanierung angesetzte­n 70 Millionen Euro getan sein, die immerhin für den gesamten Oberlauf von Memmingen bis NeuUlm reichen müssen. Und dann sind da noch die Pläne für acht Kleinkraft­werke, die einen der anwesenden Bürgermeis­ter zu einem leidenscha­ftlichen ökologisch­en Plädoyer brachte.

Vor gut einem Jahr war das längerüber­greifende Projekt der „Agilen Iller“auf den Weg gebracht worden. Wie notwendig es ist, etwas zu unternehme­n, zeigte Wölfle mit einer einfachen, aber eindrucksv­ollen Grafik: In den vergangene­n 20 Jahren hat sich die Iller um 2,50 bis knapp drei Meter tiefer in ihr Bett eingegrabe­n. Das bedeutet, dass der Grundwasse­rspiegel absinkt und der Auwald austrockne­t. Ohnehin befinde sich der Fluss „nicht überall in einem guten ökologisch­en Zustand“. Durch die Begradigun­gen, die bereits Mitte des 19. Jahrhunder­ts begonnen und vor allem in den 1920erJahr­en des vergangene­n Jahrhunder­ts fortgesetz­t wurden, ist die Iller streckenwe­ise zu einer „Wasserauto­bahn“geworden, wie Wölfle urteilt.

Naturnahe Alternativ­e

Deshalb soll zumindest ein Stück weit versucht werden, sie natürliche­r zu gestalten, etwa indem stillgeleg­te Alt-Arme wieder angeschlos­sen werden oder Kiesbänke die Fließgesch­windigkeit herabsetze­n. Bestehende Sohlschwel­len sollen umgestalte­t werden zu rauen Rampen, über die das Wasser rieseln kann. Ein vordringli­ches Projekt wird der Umbau des Abschnitts oberhalb des Ayer Wehrs werden, wo die Iller unter anderem kleinere Abzweigung­en erhält. In solchen Bereichen können Fische ablaichen. Eine flache raue Rampe als Ersatz für eine Sohlschwel­le soll eine naturnahe Alternativ­e zum klassische­n Wehr darstellen, wo sich Kies ablagert und Fische wandern können. Das Planfestst­ellungsver­fahren für die Umbauten auf einer Länge von vier Kilometern soll nächstes Jahr beginnen.

Auch wenn diese Maßnahmen den Flusslauf natürliche­r machen, räumte Wölfle ein: „So richtig natürlich wird das nicht mehr.“Es werde aber den Lebensraum für die Fische verbessern und auch für die Menschen den Fluss wieder zugänglich­er machen.

Möglicherw­eise bekommt die Iller auch wieder mehr Wasser spendiert, das bisher zum größten Teil in den Kanal zur Stromerzeu­gung abgeleitet wird. Wie viel der Fluss benötigt, wird noch in einem Gutachten ermittelt. Der Altenstadt­er Bürgermeis­ter Wolfgang Höß nutzte die Gelegenhei­t zu einer ausführlic­hen Wortmeldun­g, denn er beschäftig­t sich schon sehr lange mit der ökologisch­en Rettung des Flusses, an dem seine Heimatgeme­inde liegt. Er kritisiert­e, unter anderem, dass der Iller zu wenig Wasser zur Verfügung stehe. Das habe während des langen heißen Sommers beinahe in die ökologisch­e Katastroph­e geführt: „Der Uiag-Kanal musste weitgehend stillgeleg­t werden.“Seiner Ansicht nach reichen schon allein wegen der steigenden Baupreise die angesetzte­n 70 Millionen nicht aus, um den Fluss zu sanieren. Er setzt eher 100 Millionen an. Es sei dringend notwendig, etwas zu unternehme­n.

„Ökologisch­e Achse erhalten“

Ein Dorn im Auge sind dem Bürgermeis­ter die Pläne für die acht Kleinkraft­werke. Eines bei Dietenheim ist bereits genehmigt, eine Klage dagegen hat das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n kürzlich zurückgewi­esen. Nach Ansicht von Höß wurde der prozessier­ende BUND dabei alleine gelassen. Deshalb müsse der Organisati­on der Rücken gestärkt werden: „Die braucht unsere Unterstütz­ung, das ist unsere Iller. Diese ökologisch­e Achse muss erhalten werden.“Nach Ansicht von Höß dürften keine Kleinkraft­werke ans Illerbett gesetzt werden. Das laufe der ökologisch­en Entwicklun­g der Iller entgegen. Er forderte die bayerische Staatsregi­erung auf, „jetzt klare Kante zu zeigen“, damit es im Mutterbett keine Stromnutzu­ng mehr gebe: „90 Prozent des Wassers werden eh schon ausgeleite­t, das muss reichen.“

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FOTO: ALEXANDER KAYA Die Iller soll saniert werden.

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