Schwäbische Zeitung (Biberach)
Und wenn sie einen guten Tag haben ...
Handballerinnen gehen EM-Hauptrunde im Wissen an, dass ab jetzt alles Zugabe ist – Heute gegen Spanien
BREST (SID/dpa) - Beim Check-In am Flughafen herrschte gelöste Stimmung. Mit dem Hauptrundenticket in der Tasche und einer Menge Lust auf mehr bestiegen die deutschen Handballerinnen das Charterflugzeug zu ihrer nächsten EM-Station. Nach der bestandenen Nervenprobe gegen Tschechien ist für Torjägerin Emily Bölk und Co. in Nancy nun sogar das Halbfinale möglich. „Wir fahren dorthin, um weiter zu siegen, spielen aber völlig ohne Druck, denn wir haben unser Ziel schon erreicht“, gab Bundestrainer Henk Groener die Marschroute für die Hauptrunde aus. Und Rückraumspielerin Bölk meinte vor dem Start in Teil zwei des EM-Abenteuers am heutigen Freitag (18 Uhr/ Sportdeutschland.tv) gegen Spanien: „Wir können frei aufspielen. Utopisch ist nichts.“
Von Spiel zu Spiel denken
„Alles ist möglich“, sagte auch DHBPräsident Andreas Michelmann. „Ab jetzt kann die Mannschaft nur noch überraschen und sich belohnen.“Druck gibt es beileibe keinen mehr für die junge Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB). Doch die starke Vorrunde mit Siegen zum Auftakt gegen Titelverteidiger Norwegen (33:32) und im „Endspiel“gegen Tschechien (30:28) weckt Begehrlichkeiten – und eröffnet alle Chancen für die zweite Turnierphase, in der sich die jeweils zwei besten Teams der beiden Sechsergruppen für das Halbfinale qualifizieren.
Spanien und Ungarn (Sonntag/15 Uhr), bei der letzten EM auf Platz elf und zwölf, sind in der Hauptrunde lösbare Aufgaben. Und selbst gegen den EM-Zweiten Niederlande am Mittwoch (21 Uhr) dürfte die mit sechs Turnier-Debütantinnen gespickte deutsche Mannschaft nicht chancenlos sein. „Jetzt geht es einfach darum, von Spiel zu Spiel und hoffentlich Sieg zu Sieg zu denken“, sagte Groener und unterstrich: „Wir wollen, müssen aber nicht gewinnen.“
Genau diese neue Lockerheit könnte im weiteren Turnierverlauf zum großen Trumpf der erfrischend unbekümmert auftretenden deutschen Mannschaft werden. Zwar war die Leistung im entscheidenden Spiel gegen Tschechien erneut schwankend. Doch als es darauf ankam, waren Kapitänin Julia Behnke und Kolleginnen voll auf der Höhe. Selbst im Angesicht eines frühen Fünf-ToreRückstands blieben die Deutschen cool und drehten die Partie.
Ein Erfolgsfaktor ist Coach Groener. Der 58-Jährige, der das Amt Anfang des Jahres von Michael Biegler übernommen und die Mannschaft nach dem Achtelfinal-K.o. bei der Heim-WM neu zusammengestellt hat, verzeiht Fehler und fordert ein hohes Maß an Eigenverantwortung ein. „Er lebt viel Freude und Lockerheit vor. Es macht mega Spaß“, sagte Bölk, die mit fünf Treffern gegen Tschechien zu den Besten zählte.
Groener selbst nimmt die gute Stimmung wohlwollend zur Kenntnis, Medaillenträume hält er aber nicht für zielführend: „Bei Träumen gibt es meistens ein böses Erwachen.“Man werde jetzt ganz unbeschwert gegen die drei Gegner spielen: „Und wenn wir einen guten Tag haben, dann können wir sie auch schlagen.“