Schwäbische Zeitung (Biberach)
Theresa May vor dem Ende
Zäh und unbeirrt hat die britische Premierministerin am zentralen Projekt ihrer knapp zweieinhalb Jahre währenden Amtszeit festgehalten: den vom Volk beschlossenen EU-Ausstieg im Einvernehmen mit Brüssel zu organisieren. Das Paket aus Austrittsvertrag und politischer Erklärung halten viele Partner auf dem Kontinent für ein weitgehendes Entgegenkommen, manchen gehen die Zugeständnisse sogar deutlich zu weit.
In London aber herrscht totale Uneinigkeit. Die Brexit-Ultras um Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg wollen Ende März ohne jeden Deal ausscheiden; dies hätte für die Wirtschaft auf dem Kontinent und in Irland schlimme, für die Briten selbst katastrophale Folgen. Die EU-Freunde – Liberaldemokraten, schottische und walisische Nationalisten, große Teile von Labour, ein kleines Häuflein Konservative – streben das zweite Referendum und damit die Umkehr der 52:48-Entscheidung an. Und die politische Mitte beider großen Parteien verharrt in den parteipolitischen Schützengräben.
Zuletzt wurde eines immer klarer: May hat im Parlament kaum noch Rückhalt. Die Verschiebung der Brexit-Abstimmung im Unterhaus stellt deshalb einen Verzweiflungsakt dar. Wenn sie vom EU-Gipfel diese Woche keine neuen Zugeständnisse mitbringt, wofür fast nichts spricht, hat eine Neuansetzung des Votums kaum noch Sinn. Der mühsam ausgehandelte Kompromiss wäre obsolet – und May politisch am Ende.
Gewiss hat die Konservative viele Fehler gemacht. Sie hat das knappe Ergebnis der Volksabstimmung als Votum für einen harten Brexit interpretiert, die annähernd vier Millionen EU-Bürger auf der Insel vor den Kopf gestoßen, durch eine unnötige Neuwahl ihre Parlamentsmehrheit zerstört. Wahr ist aber auch: Zu dem ausgehandelten Kompromiss mit Brüssel gibt es keine ernst zu nehmende Alternative – es sei denn, man hält den Chaos-Brexit ohne Austrittsvereinbarung für akzeptabel. Der politischen Klasse Grossbritanniens ist der Pragmatismus abhanden gekommen. Das wird das Land teuer zu stehen kommen.
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