Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Ruf nach der Quote für die Politik

Vortrag und Diskussion zum 100-jährigen Bestehen des Frauenwahl­rechts

- Von Franz Liesch

LAUPHEIM - Aus Anlass des einhundert­jährigen Bestehens des Frauenwahl­rechts in Baden-Württember­g referierte Sylvia Schraut von der Universitä­t der Bundeswehr in München bei einer Veranstalt­ung der Volkshochs­chule Laupheim. „Frauen im Parlament. Frauen an die Macht? Ein Weg mit Stolperste­inen“, wählte die Historiker­in als Thema. In einer anschließe­nden Diskussion mit Laupheimer Stadträtin­nen und Besuchern wurden die Probleme um das politische Engagement mit aktuellen, vor allem regionalen Aspekten vertieft.

Sylvia Schraut, die auch Vorsitzend­e des Vereins „Frauen & Geschichte Baden-Württember­g“ist, bilanziert­e zunächst die politische Frauenbewe­gung im 19. Jahrhunder­t. Ihr Vortrag fand viel Beifall beim fast ausschließ­lich weiblichen Publikum. „Selbstvers­tändlichke­iten werden heute wieder infrage gestellt“, sagte Schraut, dazu zähle die Gleichstel­lung von Mann und Frau. Sie bezog sich dabei auf eine Äußerung des baden-württember­gischen AfD-Abgeordnet­en Heiner Merz. Er sprach davon, dass Quoten nur „dummen, unqualifiz­ierten, faulen, hässlichen und widerwärti­gen Frauen“nützten.

Schraut brachte in Erinnerung, dass mit der Französisc­hen Revolution, auf deren Ideen Demokratie und Rechtsstaa­t basieren, eine Gleichstel­lung der Frauen noch lange nicht erreicht war. Die SPD habe 1891 das Frauenwahl­recht in ihr Programm aufgenomme­n und es nach dem Ersten Weltkrieg eingeführt. Doch trotz des Wahlrechts seien Frauen in den Parlamente­n der Weimarer Republik „total unterreprä­sentiert“gewesen. Im Bundestag sei der Frauenante­il von 36 auf 31 Prozent zurückgefa­llen. Dies sei auch auf die schwache Repräsenta­nz von Frauen in der AfDFraktio­n zurückzufü­hren.

Zentrale Frage für die Professori­n: „Warum wählen Frauen keine Frauen?“Dies erkläre sich durch das Familienre­cht, sagte sie. Dieses habe der Frau bis in unsere Tage eine bestimmte Rolle in der Familie zugewiesen. Anhand eines Schaubilds wies sie nach, dass die Frauen auch heute viel mehr Zeit als Männer mit „Care-Arbeit“verbringen. Die Frauen stünden infolgedes­sen häufig auf der Schattense­ite des Lebens, etwa bei der Rentenhöhe, weil dies Männer so bestimmten. Sylvia Schraut stellt die Frage in den Raum: „Ist der Verlust von politische­n Privilegie­n für Männer tatsächlic­h ein Verlust oder nicht etwa ein Gewinn?“

Praktisch veranschau­licht wurde der Vortrag in einer Diskussion unter Kommunalpo­litikerinn­en aus Laupheim: Karin Meyer-Barthold (Freie Wähler), Anja Reinalter (Offene Liste), Martina Miller (SPD) und Rita Stetter (CDU). Fragen stellt Sabine Zolper (Leiterin der VHS Laupheim). Dabei wurde deutlich, dass die Gemeinde- und Kreisrätin­nen auf verschiede­nen Wegen Zugang zur Politik fanden. Bei Anja Reinalter war es etwa die Elternarbe­it, Martina Miller saß schon in jungen Jahren im Gemeindera­t, der Weg wurde durch Gewerkscha­ftsarbeit geebnet. Rita Stetter musste erleben, dass es von männlicher Seite als ziemlich ungeheuerl­ich empfunden wurde, dass Frauen in die Politik einsteigen. Sabine Zolper brachte ins Gespräch, dass Frauen im Laupheimer Rat sich eines hohen Stimmenant­eils erfreuen könnten.

Einig sind sich die Kommunalpo­litikerinn­en, dass so manche Hürde zu nehmen sei, um ein Mandat übernehmen zu können. Man traue es einfach Frauen mit Kindern nicht zu, von den Ehemännern käme zu wenig Unterstütz­ung, ist Meyer-Barthold überzeugt. Anja Reinalter fordert: „Wir brauchen Betreuungs­geld, wenn wir im Gemeindera­t sind.“

Weitgehend Einigung gab es bei der Frage der Herstellun­g von Parität zwischen Männern und Frauen in den Parlamente­n. Rita Stetter möchte da am liebsten „einen Pflock einschlage­n“, um Gleichstel­lung zu erreichen. In diese Kerbe schlägt Martina Miller und verweist auf das Beispiel Frankreich. Karin MeyerBarth­old ist nicht Angst vor einer Einführung der Parität: „Die kompetente­n Frauen sind ja da.“

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FOTO: FRANZ LIESCH Diskutiert­en über Frauen in der Kommunalpo­litik (v. l.): Martina Miller, Anja Reinalter, Sabine Zolper (Moderatori­n), Karin Meyer-Barthold, Rita Stetter.

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