Schwäbische Zeitung (Biberach)
Warum die deutsche Aufbauhilfe nicht im Erdbebengebiet ankommt
Nach dem Beben von 2016 in Mittelitalien sagte die Bundesregierung Geld für ein Krankenhaus zu – Menschen haben bis heute nichts davon
ROM - Am 24. August 2016 bebte in Mittelitalien die Erde. So heftig, dass in den Bergen rund 150 Kilometer nordöstlich von Rom entfernt mehrere Ortschaften fast völlig zerstört wurden, unter ihnen Amatrice. 235 Menschen starben. Am 18. Januar 2017 wurden Amatrice und Umgebung noch einmal kräftig durchgeschüttelt. Gebäude, die noch standen, wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Bis zu diesen Erdbeben galt das mittelitalienische Amatrice mit seinen rund 2500 Einwohnern als eine der malerischsten Ortschaften Italiens. Die Ortschaft ist die Geburtsstätte der „Amatriciana“, einer in Rom und Umgebung besonders beliebten Nudelsoße aus Tomaten, Pecorinokäse, scharfem Peperoncino und Guanciale-Speck.
Die Bundesrepublik Deutschland hatte nach dem zweiten Beben gleich finanzielle Unterstützung zugesagt – für einen Neubau des besonders schwer in Mitleidenschaft gezogenen Krankenhauses von Amatrice. Die Gesamtkosten belaufen sich auf etwa 15,4 Millionen Euro. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte sechs Millionen Euro zu. Diese mündliche Zusage wurde im September 2017 offiziell in Berlin besiegelt, beim Treffen des damaligen Bürgermeisters von Amatrice Sergio Pirozzi und Bundeskanzlerin Merkel.
2018 kam alles anders
Alles sah danach aus, dass der italienische Staat die restlichen Millionen umgehend beisteuert, damit der Neubau des Krankenhauses rasch beginnen kann. Doch dann, infolge der Parlamentswahlen in Italien und der Schaffung einer neuen Regierung Mitte 2018, kam alles ganz anders. Die Regierung tauschte die Verantwortlichen für den Wiederaufbau in Amatrice und den von den Beben betroffenen Nachbarorten aus.
Jetzt ist völlig unklar ob, wann, und wo Amatrice ein neues Krankenhaus erhalten wird. Piero Farabollini, der neue Wiederaufbau-Kommissar, entschied vor Weihnachten einen Stopp der anstehenden Bauarbeiten. Farabollini, Geologe von Beruf, stoppt damit bereits beschlossene Arbeiten, die im Januar 2019 hätten beginnen sollen. Der Kommissar für den Wiederaufbau beruft sich bei seinem Baustopp auf ein Treffen mit den Repräsentanten der deutschen Botschaft in Rom am 12. Dezember vergangenen Jahres.
Die deutsche Botschaft, so Farabollini, habe nähere Informationen über den genauen Ort des Wiederaufbaus des Krankenhauses eingefordert, und vorgeschlagen, einen anderen Ort auszuwählen, der weiter vom Epizentrum der vergangenen Erdbeben entfernt liegt. Die italienische Tageszeitung „il Messaggero“fragte bei der Botschaft in Rom nach, und erfuhr, dass man sich dort nie in die bürokratischen Belange des Kommissars für den Wiederaufbau eingemischt habe. Die Zeitung zitiert einen namentlich nicht genannten Botschaftsangehörigen mit den eindeutigen Worten: „Wir beschränken uns darauf, Mitfinanzierer des Projekts zu sein und nicht mehr“.
Kommissar Farabollini besteht aber darauf, dass das neue Krankenhaus an einem anderen Ort errichtet werden soll. Nicola Zingaretti, Präsident der Region Latium, die ebenfalls Finanzmittel für den Wiederaufbau beisteuern will, erklärte, dass der Neubau genau dort entstehen soll, wo er bisher geplant war. Der Kommissar der Regierung beharrt aber auf dem Baustopp.
Eine Meinung steht nun gegen die andere und die deutschen Finanzmittel kommen nicht zum Einsatz. Und die Bürger von Amatrice, die immer noch in Notunterkünften hausen, werden so bald kein neues Krankenhaus zur Verfügung haben.