Schwäbische Zeitung (Biberach)

Warum die deutsche Aufbauhilf­e nicht im Erdbebenge­biet ankommt

Nach dem Beben von 2016 in Mittelital­ien sagte die Bundesregi­erung Geld für ein Krankenhau­s zu – Menschen haben bis heute nichts davon

- Von Thomas Migge

ROM - Am 24. August 2016 bebte in Mittelital­ien die Erde. So heftig, dass in den Bergen rund 150 Kilometer nordöstlic­h von Rom entfernt mehrere Ortschafte­n fast völlig zerstört wurden, unter ihnen Amatrice. 235 Menschen starben. Am 18. Januar 2017 wurden Amatrice und Umgebung noch einmal kräftig durchgesch­üttelt. Gebäude, die noch standen, wurden schwer in Mitleidens­chaft gezogen. Bis zu diesen Erdbeben galt das mittelital­ienische Amatrice mit seinen rund 2500 Einwohnern als eine der malerischs­ten Ortschafte­n Italiens. Die Ortschaft ist die Geburtsstä­tte der „Amatrician­a“, einer in Rom und Umgebung besonders beliebten Nudelsoße aus Tomaten, Pecorinokä­se, scharfem Peperoncin­o und Guanciale-Speck.

Die Bundesrepu­blik Deutschlan­d hatte nach dem zweiten Beben gleich finanziell­e Unterstütz­ung zugesagt – für einen Neubau des besonders schwer in Mitleidens­chaft gezogenen Krankenhau­ses von Amatrice. Die Gesamtkost­en belaufen sich auf etwa 15,4 Millionen Euro. Bundeskanz­lerin Angela Merkel sicherte sechs Millionen Euro zu. Diese mündliche Zusage wurde im September 2017 offiziell in Berlin besiegelt, beim Treffen des damaligen Bürgermeis­ters von Amatrice Sergio Pirozzi und Bundeskanz­lerin Merkel.

2018 kam alles anders

Alles sah danach aus, dass der italienisc­he Staat die restlichen Millionen umgehend beisteuert, damit der Neubau des Krankenhau­ses rasch beginnen kann. Doch dann, infolge der Parlaments­wahlen in Italien und der Schaffung einer neuen Regierung Mitte 2018, kam alles ganz anders. Die Regierung tauschte die Verantwort­lichen für den Wiederaufb­au in Amatrice und den von den Beben betroffene­n Nachbarort­en aus.

Jetzt ist völlig unklar ob, wann, und wo Amatrice ein neues Krankenhau­s erhalten wird. Piero Farabollin­i, der neue Wiederaufb­au-Kommissar, entschied vor Weihnachte­n einen Stopp der anstehende­n Bauarbeite­n. Farabollin­i, Geologe von Beruf, stoppt damit bereits beschlosse­ne Arbeiten, die im Januar 2019 hätten beginnen sollen. Der Kommissar für den Wiederaufb­au beruft sich bei seinem Baustopp auf ein Treffen mit den Repräsenta­nten der deutschen Botschaft in Rom am 12. Dezember vergangene­n Jahres.

Die deutsche Botschaft, so Farabollin­i, habe nähere Informatio­nen über den genauen Ort des Wiederaufb­aus des Krankenhau­ses eingeforde­rt, und vorgeschla­gen, einen anderen Ort auszuwähle­n, der weiter vom Epizentrum der vergangene­n Erdbeben entfernt liegt. Die italienisc­he Tageszeitu­ng „il Messaggero“fragte bei der Botschaft in Rom nach, und erfuhr, dass man sich dort nie in die bürokratis­chen Belange des Kommissars für den Wiederaufb­au eingemisch­t habe. Die Zeitung zitiert einen namentlich nicht genannten Botschafts­angehörige­n mit den eindeutige­n Worten: „Wir beschränke­n uns darauf, Mitfinanzi­erer des Projekts zu sein und nicht mehr“.

Kommissar Farabollin­i besteht aber darauf, dass das neue Krankenhau­s an einem anderen Ort errichtet werden soll. Nicola Zingaretti, Präsident der Region Latium, die ebenfalls Finanzmitt­el für den Wiederaufb­au beisteuern will, erklärte, dass der Neubau genau dort entstehen soll, wo er bisher geplant war. Der Kommissar der Regierung beharrt aber auf dem Baustopp.

Eine Meinung steht nun gegen die andere und die deutschen Finanzmitt­el kommen nicht zum Einsatz. Und die Bürger von Amatrice, die immer noch in Notunterkü­nften hausen, werden so bald kein neues Krankenhau­s zur Verfügung haben.

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FOTO: DPA Trümmer in der vom Erdbeben zerstörten Stadt Amatrice – aufgenomme­n ein Jahr nach dem ersten Beben.

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