Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vom Bodensee nach Wales

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Man zieht nur nach Wales, wenn man vom Leben nichts mehr will.“Nach dem Selbstmord ihres Mannes Bruno, der ein Sterne-Restaurant am Bodensee führte, flieht die 62-jährige Sonja nach Abydyr und übernimmt dort eine kleine Pension. „Gegen freie Logis und ein Taschengel­d verwaltet sie den schieren Stillstand.“Ihr bisheriges Leben will diese Frau in KarlHeinz Otts Roman „Und jeden Morgen das Meer“hinter sich lassen. Sich am Ende der Welt verstecken und keinem ihrer Bekannten mehr begegnen. Jedes Mal, wenn sie an den Klippen steht, denkt sie daran zu springen. Als würde der Wind Erinnerung­en aus der Vergangenh­eit heranwehen, setzt sich aus Versatzstü­cken ein Leben zusammen. Die Geschichte, die der 1957 in Ehingen geborene Ott in der für ihn typischen poetischen Schwermut erzählt, ist die eines nicht gelebten Lebens. Als Bruno der Michelin-Stern entzogen wird, verkraftet er das nicht und stürzt ab. Er trinkt sich Nacht für Nacht aus der Welt. Sonja steht nach seinem Tod vor dem Nichts. Sie hat selbst kein Leben. (grom)

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