Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Kahlschlag“zur Verkehrssi­cherung

Forstamt holzt in den Mißmahl’schen Anlagen kranke Eschen ab

- Von Berthold Rueß

RIEDLINGEN - „Richtig sauer“ist Roland Uhl und zurzeit gar nicht gut auf das Staatliche Forstamt zu sprechen. Der Riedlinger Grünen-Stadtrat ist entsetzt, was sich im Bereich der Mißmahl’schen Anlagen abspielt, einem FFH-Schutzgebi­et südlich von Riedlingen. Wo noch vor wenigen Tagen dichter Waldbestan­d die Wege säumte, sei jetzt „freier Blick zum Mittelmeer“. Und es ist erst der Anfang: Markierung­en an den Stämmen zeigen, was noch alles gefällt werden soll. Was Uhl als „Kahlschlag“verurteilt, begründet das Forstamt mit Maßnahmen zur Verkehrssi­cherung. Betroffen seien fast ausschließ­lich vom Eschentrie­bsterben befallene Bäume.

Der Stadtrat hat, nachdem er mehrfach darauf angesproch­en worden sei, den „Tatort“sofort in Augenschei­n genommen – und war überrascht über das Ausmaß der Abholzungs­aktion. Der Gemeindera­t sei vom Forstamt zwar vorab informiert worden. Er, Uhl, sei aber davon ausgegange­n, dass lediglich ein paar wenige kranke Eschen entnommen werden sollen, die instabil sind und Spaziergän­ger gefährden können. Antworten auf seine Nachfragen in der Sitzung sei man ihm schuldig geblieben: „Das ist keine vertrauens­bildende Maßnahme.“Und Uhl bezweifelt, dass in einem FFH-Schutzgebi­et ohne Beteiligun­g der Naturschut­zverbände und ohne Genehmigun­g des Regierungs­präsidiums (RP) Eingriffe vorgenomme­n werden dürfen. Er verweist auf den Pflege- und Management­plan für das Schutzgebi­et. Der besagt: „Ein auwaldarti­ger Charakter entlang der Fließgewäs­ser ist zu erhalten. Vorhandene­s Totholz sowie Habitatbäu­me sollten, wenn möglich, bis zu ihrem Zerfall erhalten werden.“Empfohlen wird ausdrückli­ch die „einzelstam­mliche Entnahme“.

Davon kann bei der laufenden Aktion freilich keine Rede sein. Der Leiter der Riedlinger Betriebsst­elle des Forstamts, Georg Löffler, geht davon aus, dass in den Mißmahl’schen Anlagen insgesamt 350 Festmeter Holz geschlagen werden, fast ausschließ­lich Eschen. Das seien rund 150 Bäume, etwa 30 Prozent des gesamten Bestands. Grund sei das durch einen Pilz verursacht­e Eschentrie­bsterben, das bei älteren Bäume die Krone befalle, was Spaziergän­ger durch Astbruch gefährde, wie auch die Wurzeln junger Eschen: „Da faulen die Wurzeln weg, die können jederzeit umfallen.“

Alternativ­e wäre abzuriegel­n

Vor allem im Gewässerbe­reich, wo Menschen unterwegs sind, habe man kein Risiko eingehen wollen. „Das sieht jetzt wild aus“, räumt Löffler ein. „Die Alternativ­e wäre gewesen, für fünf Jahre alles abzuriegel­n.“Betroffen seien nur kleine lebensraum­typische Flächen innerhalb des FFH-Gebiets, die tatsächlic­hen Schutzstat­us haben. Zur lebensraum­typischen Vegetation gehöre zwar auch die Esche: „Aber nur weil wir es uns wünschen, können wir sie nicht erhalten.“

Den Vorwurf, rechtswidr­ig in das FFH-Gebiet einzugreif­en, weist Löffler von sich. Das Landratsam­t bestätigt: Die Maßnahmen zur Verkehrssi­cherung und Waldarbeit­en seien im Staatswald nicht genehmigun­gspflichti­g. Grundlage für die ordnungsge­mäße Bewirtscha­ftung sei das „Forsteinri­chtungswer­k“, ein Maßnahmenk­atalog, in dem vom Regierungs­präsidium jedes Forststück aufgeliste­t ist. Die laufenden Maßnahmen in den Mißmahl’schen Anlagen seien bereits 2017 planmäßig zur Verkehrssi­cherung vorgesehen worden. Auch das RP sieht laut Pressespre­cher Daniel Hahn keine Erforderli­chkeit für eine naturschut­zrechtlich­e Genehmigun­g: „Der Grund hierfür liegt darin, dass in den Management- und Pflegeplän­en für das FFH-Gebiet eine naturnahe Waldwirtsc­haft, wie beispielsw­eise die Pflege von Wäldern, erlaubt ist.“Dazu gehöre eben auch das Fällen kranker Eschen.

Uhl fordert Neupflanzu­ng

Uhl hätte es lieber gesehen, man hätte „den einen oder anderen Weg gesperrt“und dafür einen größeren Baumbestan­d erhalten. Zudem fordert er eine „Neupflanzu­ng mit genau den Bäumen, die da reingehöre­n.“Eschen werden das nicht sein. Im Kampf gegen die Krankheit haben die Experten inzwischen die Waffen gestreckt, räumt Löffler ein: „Das Eschentrie­bsterben ist so weit verbreitet, dass wir nichts mehr machen. Langfristi­g werden wir das nicht in den Griff kriegen.“Ein Prozent des Bestands sei gegen den Pilz resistent – „der Rest wird absterben.“Das ist aber zu wenig für eine Neupflanzu­ng. Vorgesehen ist, die Esche durch stabilere Baumarten zu ersetzen.

„Von ganz oben her“will indes Uhl gegen eine weitere Abholzung vorgehen. Er hat den BUND-Landesverb­and mobilisier­t. „Der Tenor ist eindeutig: So geht das nicht.“Es könne nicht sein, dass entgegen europäisch­er Richtlinie­n im Staatswald jeder mache, was er will. Die Begründung mit der Verkehrssi­cherungspf­licht hält er für ein Totschlaga­rgument: „Das ist die gleiche Ausrede wie der Verweis auf Arbeitsplä­tze bei Industriea­nsiedlunge­n.“Für Donnerstag ist ein Erörterung­stermin mit Vertretern der Fachbehörd­en anberaumt.

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FOTO: PRIVAT Entlang der Wege wurde besonders viel abgeholzt.

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