Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ravensburgs Bürgermeister kehrt Facebook den Rücken
Simon Blümcke kritisiert die oberflächliche Kommunikation im Netz
RAVENSBURG - Ravensburgs Erster Bürgermeister Simon Blümcke hat sich vom sozialen Netzwerk Facebook verabschiedet. Er beklagte in seinem letzten Eintrag zunehmende Hetze im virtuellen Raum. Echter Austausch finde nicht mehr statt. Statt Meinungen würden schlichte Parolen verbreitet, schrieb Blümcke, die Quelle einer vermeintlichen Nachricht werde von vielen Nutzern nicht geprüft, stattdessen würden Informationen unreflektiert verbreitet. „Daher trägt diese Plattform bei vielen zur Vereinfachung des Weltbildes bei gleichzeitigem Fortbestand von Komplexität der Wirklichkeit bei.“Und weiter: „Mir gibt Facebook viel weniger, als es nimmt. Daher werde ich meinen Account löschen.“Inzwischen ist Blümcke im Netzwerk nicht mehr aufzufinden.
Mit Robert Habeck hat auch der Bundesvorsitzende der Grünen soziale Netzwerke im Internet verlassen. Die Kommunikation im Kurznachrichtendienst Twitter habe ihn verändert, habe seine Äußerungen aggressiver, lauter, polemischer und zugespitzter gemacht. Und über Facebook seien private Daten geklaut und öffentlich gemacht worden. Deshalb löschte auch er sein FacebookProfil. „Was in beiden Fällen, Habeck und Blümcke, nachdenklich stimmt, ist der Eindruck, dass quasi allein das Medium schuld an der Kommunikationsveränderung sein soll“, sagt der Studiengangsleiter im Bereich BWL, Studienrichtung Medien- und Kommunikationswirtschaft, an der Dualen Hochschule in Ravensburg, Tobias Krohn. „Es sind aber die Menschen, die kommunizieren.“Bevor man einen Beitrag oder Kommentar abschickt, könne jeder noch mal nachdenken.
Krohn bestätigt aber Blümckes Eindruck, dass die Kommunikation bei Facebook oberflächlich ist. Das Netzwerk werde immer öffentlicher und weniger privat. „Wenn man also mehr Tiefgang möchte, sind soziale Netzwerke tatsächlich eher das falsche Medium“, sagt Krohn. Ob man sich deswegen gleich ganz davon verabschieden muss, bezweifle er allerdings.
Aus Blümckes Sicht hat Facebook ein grundsätzliches Problem: „Die Menschen werden dort schnell hemmungslos.“ Im Netz fehlten die Regeln. „Es ist uns nicht mal im Ansatz gelungen, eine Netiquette zu etablieren“, sagt er. Inzwischen hatte er nach eigenen Angaben rund 2500 Facebook-Freunde und Abonnenten. Er sei selten angefeindet worden. Doch er habe Diskussionen beobachtet, die man moderieren und steuern müsse. „Diese Ressource hat kaum jemand, ich auch nicht.“Deshalb habe er sich zurückgezogen.
Lob für „digitale Zivilcourage“
Er bewundere andere Nutzer, die Zeit investieren, um Fake News zu widerlegen, sich in Diskussionen einzumischen und dadurch „digitale Zivilcourage“zeigen. Dies sei löblich, koste aber ebenfalls viel Zeit. „Facebook war über Jahre ein ordentlicher Kommunikationskanal“, sagt Blümcke. „Heute ist das eine Ansammlung verschiedener Echokammern.“Und er beschreibt, was er damit meint: Der Facebook-Algorithmus bestimme, welche Beiträge ein Nutzer angezeigt bekommt. Wie das genau funktioniere, wisse aber niemand. „Facebook suggeriert nur, dass der Nutzer die Kontrolle über die angezeigten Informationen hat.“
Blümcke nutzt derzeit nach eigenen Angaben keine anderen sozialen Netzwerke. „Ich bin gerade mal total abstinent, mediales Fasten tut gut“, sagt er. Wer wirklich was Wichtiges hat, soll den Telefonhörer in die Hand nehmen“, sagt er. „Wir sollten wieder mehr Mut haben, miteinander zu sprechen.“