Schwäbische Zeitung (Biberach)
Volkszählung: Sigmaringen zieht Klage zurück
Einwohnerzahl ist laut Zensus 2011 deutlich geringer – Reduzierte Schlüsselzuweisungen
SIGMARINGEN - Der Verwaltungsund Wirtschaftsausschuss des Sigmaringer Gemeinderates hat einstimmig beschlossen, die Klage gegen das Land Baden-Württemberg wegen der Einwohnerfeststellung durch den Zensus (Volkszählung) 2011 zurückzuziehen. Diese Entscheidung beruht auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und einer Empfehlung des Städtetags Baden-Württemberg. Hintergrund war die Reduzierung der Einwohnerzahlen durch das Statistische Landesamt und die damit verbundene Reduzierung der Schlüsselzuweisungen.
Am 19. Juni 2013 wurde der Sigmaringer Stadtrat über den Zensus 2011, die erste Volkszählung im vereinigten Deutschland, informiert. Zwei Tage später wurde der Feststellungsbescheid des Statistischen Landesamts zugestellt. Danach wurde die Einwohnerzahl der Stadt Sigmaringen auf 15 189 festgesetzt. Im Vergleich zur Fortschreibung der Volkszählung von 1987 (16 290 Einwohner) waren das mehr als 1000, im Abgleich mit dem Melderegister immer noch 141 Einwohner weniger. Dagegen hatte die Stadt am 3. Juli Widerspruch eingelegt und am 22. Oktober die Widerspruchsbegründung eingereicht:
„Der Feststellungsbescheid ist rechtswidrig, weil er das Recht der Stadt Sigmaringen auf kommunale Selbstbestimmung und interkommunale Gleichbehandlung verletzt. Der Bescheid hat keine wirksame Rechtsgrundlage, da relevante Bestimmungen des Zensus 2011 verfassungswidrig sind.“Am 24. April 2014 wurde der Widerspruch durch das Statistische Landesamt zurückgewiesen. Daraufhin klagte die Stadt beim Verwaltungsgericht Sigmaringen, den Bescheid aufzuheben und das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Beim Streitwert ging die Gemeinde von 5000 Euro aus. Das Gericht setzte am 9. Mai den Streitwert auf 20 000 Euro fest, ein Betrag, den Bürgermeister Ehm als angemessen betrachtet, mit dem aber die Verfahrenskosten angestiegen wären. Das Verwaltungsgericht ordnete am 16. Mai 2014 das Ruhen des Verfahrens an. Über diese Vorgänge wurde der Stadtrat entsprechend informiert.
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 19. August vergangenen Jahres auf Anträge aus Berlin und Hamburg in einem Musterklageverfahren, dass die Gesetzgebung des Bundes für den Zensus 2011 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dieses Urteil ist übertragbar auf die bundesweit 350 (144 in Baden-Württemberg) ruhenden Verfahren. Daraufhin empfahl der Städtetag, die Zensusklagen zurückzuziehen. Dem folgte die Stadtverwaltung bei ihrer Empfehlung für den Gemeinderat.
Nachdem Ordnungsamtsleiter Norbert Stärk die Sachlage vorgetragen hatte, sagte Bürgermeister Ehm: „Höher als bis zum Bundesverfassungsgericht geht es nicht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Klage zurückzuziehen, wenn wir nicht finanziell ins Verderben laufen wollen.“Dem schlossen sich die Mitglieder des Ausschusses ohne weitere Diskussion an.