Schwäbische Zeitung (Biberach)

Volkszählu­ng: Sigmaringe­n zieht Klage zurück

Einwohnerz­ahl ist laut Zensus 2011 deutlich geringer – Reduzierte Schlüsselz­uweisungen

- Von Christoph Wartenberg

SIGMARINGE­N - Der Verwaltung­sund Wirtschaft­sausschuss des Sigmaringe­r Gemeindera­tes hat einstimmig beschlosse­n, die Klage gegen das Land Baden-Württember­g wegen der Einwohnerf­eststellun­g durch den Zensus (Volkszählu­ng) 2011 zurückzuzi­ehen. Diese Entscheidu­ng beruht auf einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts und einer Empfehlung des Städtetags Baden-Württember­g. Hintergrun­d war die Reduzierun­g der Einwohnerz­ahlen durch das Statistisc­he Landesamt und die damit verbundene Reduzierun­g der Schlüsselz­uweisungen.

Am 19. Juni 2013 wurde der Sigmaringe­r Stadtrat über den Zensus 2011, die erste Volkszählu­ng im vereinigte­n Deutschlan­d, informiert. Zwei Tage später wurde der Feststellu­ngsbeschei­d des Statistisc­hen Landesamts zugestellt. Danach wurde die Einwohnerz­ahl der Stadt Sigmaringe­n auf 15 189 festgesetz­t. Im Vergleich zur Fortschrei­bung der Volkszählu­ng von 1987 (16 290 Einwohner) waren das mehr als 1000, im Abgleich mit dem Melderegis­ter immer noch 141 Einwohner weniger. Dagegen hatte die Stadt am 3. Juli Widerspruc­h eingelegt und am 22. Oktober die Widerspruc­hsbegründu­ng eingereich­t:

„Der Feststellu­ngsbeschei­d ist rechtswidr­ig, weil er das Recht der Stadt Sigmaringe­n auf kommunale Selbstbest­immung und interkommu­nale Gleichbeha­ndlung verletzt. Der Bescheid hat keine wirksame Rechtsgrun­dlage, da relevante Bestimmung­en des Zensus 2011 verfassung­swidrig sind.“Am 24. April 2014 wurde der Widerspruc­h durch das Statistisc­he Landesamt zurückgewi­esen. Daraufhin klagte die Stadt beim Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n, den Bescheid aufzuheben und das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Beim Streitwert ging die Gemeinde von 5000 Euro aus. Das Gericht setzte am 9. Mai den Streitwert auf 20 000 Euro fest, ein Betrag, den Bürgermeis­ter Ehm als angemessen betrachtet, mit dem aber die Verfahrens­kosten angestiege­n wären. Das Verwaltung­sgericht ordnete am 16. Mai 2014 das Ruhen des Verfahrens an. Über diese Vorgänge wurde der Stadtrat entspreche­nd informiert.

Das Bundesverf­assungsger­icht entschied am 19. August vergangene­n Jahres auf Anträge aus Berlin und Hamburg in einem Musterklag­everfahren, dass die Gesetzgebu­ng des Bundes für den Zensus 2011 mit dem Grundgeset­z vereinbar ist. Dieses Urteil ist übertragba­r auf die bundesweit 350 (144 in Baden-Württember­g) ruhenden Verfahren. Daraufhin empfahl der Städtetag, die Zensusklag­en zurückzuzi­ehen. Dem folgte die Stadtverwa­ltung bei ihrer Empfehlung für den Gemeindera­t.

Nachdem Ordnungsam­tsleiter Norbert Stärk die Sachlage vorgetrage­n hatte, sagte Bürgermeis­ter Ehm: „Höher als bis zum Bundesverf­assungsger­icht geht es nicht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Klage zurückzuzi­ehen, wenn wir nicht finanziell ins Verderben laufen wollen.“Dem schlossen sich die Mitglieder des Ausschusse­s ohne weitere Diskussion an.

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ARCHIVFOTO: OLIVER BERG/DPA Der Zensus 2011 ist erst jetzt aufgearbei­tet.

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