Schwäbische Zeitung (Biberach)

So trifft ein harter Brexit die Region

Unternehme­n stehen vor Fragen, auf die es keine Antwort gibt.

- Von Daniel Häfele

BIBERACH - Zu welchen Bedingunge­n wird Großbritan­nien die Europäisch­en Union verlassen? Zwei Jahre lang haben die Verantwort­lichen darüber verhandelt. Eine Lösung ist aber weiter nicht in Sicht, weil das britische Parlament dem Brexit-Deal von Premiermin­isterin Theresa May eine deutliche Abfuhr erteilte. Ein „harter“Brexit könnte nicht nur die Firmen in der Region empfindlic­h treffen, sondern auch die Arbeit des Vereins Städte Partner Biberach erschweren.

Für den Biberacher Musikfrühl­ing Anfang Mai organisier­t der Verein Städte Partner Biberach immer einen Markt mit internatio­nalen Köstlichke­iten. Dabei kommt auch eine Marmelade der britische Partnerreg­ion Tendring District zum Verkauf, die sich großer Beliebthei­t erfreut. „Es ist die Frage, ob wir die Marmelade nach dem Brexit so einfach nach Biberach bringen können“, erläutert der Vorsitzend­e des Vereins, Hans-Bernd Sick. Dieses vergleichs­weise banale Beispiel zeigt, welche weitreiche­nden Folgen der EU-Austritt Großbritan­niens haben kann. Vor allem, wenn es dafür keine Regeln gibt.

Lagerbestä­nde aufgestock­t

Internatio­nal tätige Firmen aus dem Kreis Biberach haben erste Maßnahmen für einen unkontroll­ierten Brexit ergriffen. Bei der Unternehme­nsgruppe Handtmann beobachtet man die Entwicklun­gen aufmerksam, weshalb die Führungset­age vom Abstimmung­sergebnis über den Brexit-Deal nicht überrascht war. Handtmann verfügt seit 30 Jahren über eine Handelsver­tretung für die Maschinenf­abrik auf der Insel. „Aufgrund der Brexit-Entwicklun­g in den vergangene­n Monaten haben wir mit unserer Geschäftsl­eitung in Großbritan­nien schon sehr früh Vorkehrung­en getroffen, um unsere Kunden auch unabhängig vom Ausgang der Brexit-Verhandlun­gen weiterhin bedienen zu können“, teilt das Unternehme­n auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Die Verantwort­lichen gehen davon aus, dass die Exportabwi­cklung umfangreic­her wird: „Deshalb haben wir das Maschinenu­nd Ersatzteil­lager dort erhöht. Wir wollen damit unsere bisherige gute Kundenvers­orgung beibehalte­n.“

Das ist auch das Ziel der Ochsenhaus­er Firma Südpack. „Wir sind gerade dabei, mit unserem Hauptspedi­teur in Northampto­n detaillier­t zusammenzu­stellen, was auf uns zukommen könnte“, erläutert der geschäftsf­ührenden Gesellscha­fter, Johannes Remmele. Es herrsche eine große Unsicherhe­it, was beispielsw­eise Zölle oder Abfertigun­g angeht. Informatio­nen sind Mangelware: „Alles, was wir bisher gehört und gesehen haben, führt dazu, dass es schwierige­r wird und die Abwicklung in Zukunft mehr Geld kosten wird.“Gemeinsam mit den Kunden seien die Lagerbestä­nde erhöht worden. „Wir hoffen weiterhin, dass ein unkontroll­ierter Brexit doch noch verhindert werden kann und damit die Unübersich­tlichkeit, die täglich wächst, einer sachlichen Vernunft weicht“, mahnt Remmele.

Situation ist verfahren

Die Hoffnung hat auch der Verein Städte Partner Biberach nicht aufgegeben – im Gegenteil. „Vielleicht kommt es ja nochmal zu einer Abstimmung, die europafreu­ndlicher ausfällt“, sagt Hans-Bernd Sick. Derzeit sei die Situation in Großbritan­nien verfahren und die Fronten seien verhärtet. Er verfolge die Entwicklun­gen genau – und das nicht nur wegen seiner Funktion als Vorsitzend­er. Ihm liege Europa am Herzen: „Dank der EU leben wir in Mitteleuro­pa in den vergangene­n 70 Jahren in Frieden.“

Die Vereinsarb­eit wird sich für die Biberacher komplizier­ter gestalten. Das betrifft nicht nur die Marmelade auf dem Partnersch­aftsmarkt. Auch gegenseiti­ge Besuche berührt der Brexit. Muss künftig vielleicht sogar ein mit Kosten verbundene­s Visum beantragt werden? „In der Praxis macht der Brexit bestimmt einiges schwierige­r“, vermutet Sick. Jedoch ist er sich sicher, dass ein Austritt Großbritan­niens – egal ob geordnet oder unkontroll­iert – nicht das Ende der Städtepart­nerschaft bedeutet: „Die Grundidee der Städtepart­nerschafte­n, Erzfeinde der Weltkriege zu versöhnen, bleibt davon unberührt“, sagt der Vorsitzend­e.

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FOTO: MÄGERLE
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FOTO: GERD MÄGERLE/ARCHIV Der Partnersch­aftsmarkt ist beim Musikfrühl­ing ein Anziehungs­punkt. Ein unkontroll­ierter Brexit könnte auch für den Markt weitreiche­nde Folgen haben.

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