Schwäbische Zeitung (Biberach)
LKW-Herstellern droht Schadenersatz in Milliardenhöhe
Logistikverband bereitet dritte Klage wegen Preisabsprachen vor – Bereits 7000 Unternehmen angeschlossen
FRANKFURT - Auf die Buße folgt der Schadensersatz – möglicherweise. Und auch der könnte teuer werden für die am Lkw-Kartell beteiligten Unternehmen. Denn der Verband der Logistikbranche hat bereits zwei Klagen gegen die Lkw-Hersteller ins Rollen gebracht – eine dritte ist in Vorbereitung. Die Unternehmen fordern Schadenersatz in Milliardenhöhe.
Es geht um Entschädigungen für rund 150 000 Lastwagen in der Logistikbranche. Die seien mindestens in den Jahren zwischen 1997 und 2011 nach Kartellabsprachen zu teuer an die Unternehmen verkauft worden – so lautet der Vorwurf. Deswegen hat der Logistikverband BGL bereits im Dezember 2017 und im Dezember 2018 Klage gegen die Kartellanten eingereicht. Die geforderte Schadenssumme aber konnte der BGL erst jetzt nennen, weil diese für die vielen Fahrzeuge aufwendig von Gutachtern ermittelt werden musste.
Das vorläufige Ergebnis: 1,1 Milliarden Euro – auf diese Höhe taxiert der BGL den entstandenen Schaden. Hinzu kommen Zinsschäden, die bereits Ende vergangenen Jahres bei knapp 130 Millionen Euro gelegen haben sollen. Das juristische Nachspiel des Lkw-Kartells ist damit noch nicht zu Ende. Denn der Logistikverband bereitet schon eine dritte Klage vor. Sie soll noch in diesem Jahr eingereicht werden.
Bereits im Jahr 2016 hatte die EUKommission ein Bußgeld in Höhe von insgesamt 3,8 Milliarden Euro gegen die führenden Lkw-Bauer verhängt – also gegen MAN, Daimler-Benz, Volvo/Renault, DAF, Iveco und Scania. Die Hersteller sollen sich über Preise verständigt haben; aber auch darüber, Mehrausgaben für das Einhalten damals geltender Abgasnormen an ihre Kunden weiterzugeben. MAN trat dabei als Kronzeuge auf und ging straffrei aus. Ansonsten hätte die Strafe allein gegen die Volkswagen-Tochter 1,2 Milliarden Euro betragen.
Die Hersteller hatten das Kartell zugegeben, bestreiten aber, den Kunden geschadet zu haben. So erklärte MAN, die EU-Kommission habe nur Absprachen der Bruttopreise angeprangert. „Da Endkunden aber niemals Bruttolistenpreise sondern nur individuell vereinbarte Nettopreise bezahlen, handelte es sich bei dem Verstoß nicht um eine Preisabsprache im engeren Sinne“, sagte ein Sprecher.
Ob dem so ist, werden die Gerichte klären müssen. Vertreten werden die Unternehmen in der gebündelten Klage von der auf Kartellrecht spezialisierten Anwaltskanzlei Hausfeld und der Plattform financialrightclaims. Im Erfolgsfall kassieren die Rechtsdienstleister rund ein Drittel des erstrittenen Schadenersatzes. Haben die Kartellklage oder das Bemühen um Vergleiche keinen Erfolg, liegt das Risiko bei den Prozessdienstleistern. Das kann vor allem für kleinere Unternehmen von Vorteil sein, weil Kartellrechtsklagen aufwendig sind und das Ergebnis ungewiss.
Gut 7000 Unternehmen haben sich den Verfahren angeschlossen. „Wir erwarten, dass die Lkw-Hersteller für die von ihnen verursachten Schäden die Verantwortung übernehmen“, sagte Prof. Dirk Engelhardt, Hauptgeschäftsführer des BGL. Mit ersten Urteilen rechnen die Logistiker frühestens 2020.