Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Kitas werden zu Familienzentren
Neuer Name, neue Aufgaben: Was Familienzentren bieten wollen.
MASELHEIM - Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen, sagt ein afrikanisches Sprichwort. Die vier katholischen Kindergärten in Maselheim wollen diesen Gedanken umsetzen. Seit kurzem heißen sie Katholische Familienzentren. Dahinter steckt die Idee, dass die Kindergärten über ihren Betreuungsund Bildungsauftrag hinaus Eltern Beratung und Begleitung anbieten, dass sie zudem Kontakte der Familien untereinander sowie auch zwischen Kita und dem ganzen Ort anregen.
„Wir stellen fest, dass Familien heute mehr brauchen als die Betreuung in der Kita“, sagt Martina Sodeikat, die Kindergartenbeauftragte des Katholischen Verwaltungszentrums. Das Leben von Familien habe sich in den vergangenen Jahren verändert. Familie, das sei nicht mehr das klassische Modell vergangener Jahrzehnte, weist sie auf gesellschaftliche Veränderungen und Veränderungen in der Arbeitswelt hin. „Familien benötigen ein offenes Ohr für ihre Lebenssituation.“
In Familienzentren kommen deshalb zum Betreuungs- und Bildungsauftrag weitere Aufgaben hinzu. „Das Kind steht im Mittelpunkt, aber wir betrachten es im Kontext seiner Familie“, sagt Martina Sodeikat. „Beratung, Bildung, Begleitung und Begegnung“, erläutert sie die Themen. Familien sollen niederschwellige Angebote erhalten, die Erzieherinnen holen dazu Fachleute ans Familienzentrum oder vermitteln weiter und vernetzen.
Beratungsangebote für Eltern
Im Bereich Bildung sind zum Beispiel Erziehungsseminare und -vorträge in Zusammenarbeit mit der Katholischen Erwachsenenbildung angedacht. Darüber hinaus soll es auch Beratungsangebote geben. „Wir denken zum Beispiel an eine Lebens- und Erziehungsberatung einmal im Monat“, sagt Sodeikat. Kooperieren könne man dabei mit der Caritas. Denkbar seien auch Elternsprechstunden. Wenn etwa das Thema Trotzphase gerade einige Familien beschäftige, könnte es dazu eine Sprechstunde mit internen oder externen Fachleuten geben. Bestehen bei Müttern und Vätern Hemmschwellen oder Hürden, sich Hilfe zu holen, unterstützen die Erzieherinnen sie. „Das kann heißen, dass man auch mal Eltern zu einer Fachstelle, sei es Caritas oder Logopäde, begleitet oder jemanden organisiert, der mitgeht“, sagt Sodeikat.
Die Familienzentren wollen zudem neue Begegnungen ermöglichen: „Je nach Bedarf kann das ein Kinderbuchzirkel, eine Tauschbörse oder ein Alleinerziehendentreff sein“, erzählt Sodeikat. Das heiße nicht, dass die Erzieherinnen selbst teilnehmen oder alles vorbereiten. Aber sie können Anstöße geben oder Wege ebnen, indem sie etwa nach einem Raum schauen, führt sie aus. Es gehe nicht darum, Familien alles abzunehmen, sondern sie zu stärken, betont Martina Sodeikat.
Die Familienzentren weiten den Blick auch über die Familien hinaus. Im Ort sollen vielfältige Kontakte geknüpft werden. Besuche beim Heggbacher Wohnverbund oder bei Flüchtlingen, nennt Pfarrer Ludwig Hager Beispiele. In Sulmingen haben die Kinder in der Adventszeit Senioren besucht. „Das lässt sich ausbauen. Wir wollen über die Einrichtung hinaus Verbindungen und ein Miteinander im Ort schaffen.“Dass der Kindergarten dann nicht mehr Kindergarten heiße, sei nur konsequent. „Wir sind gespannt auf diesen Wandel und welche neuen Ideen und Verknüpfungen entstehen“, sagt die Leiterin des neuen Familienzentrums in der Maselheimer Gartenstraße, Cornelia Sonntag.
Die vier Familienzentren sollen nach dem Leitbild der Early Excellence arbeiten. Dahinter verbirgt sich kein Eliteprogramm, sondern der pädagogische Ansatz, dass jedes Kind einzigartig ist, Eltern Experten ihrer Kinder sind und die Kita sich nach außen öffnet. „Das ist eine Haltung, die sich am christlichen Menschenbild orientiert“, sagt Pfarrer Hager.
Finanzierung mit Zuschüssen
Die Kosten für die Fortbildung der Erzieherinnen und eine Teilzeitstelle für Koordination will die Kirchengemeinde über Fördergelder finanzieren. Von der Diözese Rottenburg-Stuttgart, vom Land und der Heinz-und-Hilde-Dürr-Stiftung kommen laut Pfarrer Hager Zuschüsse, mit der L-Bank laufen Gespräche. Die Fördermittel würden für drei bis fünf Jahre gewährt, sagt er. „Damit können wir die Familienzentren installieren“, sagt der Pfarrer. „Optimalerweise wird das ein Selbstläufer“, so Sodeikat.
Familienzentren entstehen zurzeit landesweit. Im Bereich der Dekanate Biberach, Laupheim, Ochsenhausen gab es bisher zwei, beide in der Stadt Biberach. Mit den vier Maselheimer Einrichtungen steigt die Zahl auf sechs. Weitere könnten dazukommen. Tannheim und Baltringen seien an dem Thema dran, sagt Martina Sodeikat.