Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Jede gemeinsame Initiative kann Rechtspopu­listen das Wasser abgraben“

-

RAVENSBURG - Der ÉlyséeVert­rag könnte für die EU ein wichtiger Schritt sein – wenn er offen ist für Dritte. Das sagte Sabine von Oppeln (Foto: Bernd Wannenmach­er), Politologi­n und Frankreich­expertin der Freien Universitä­t Berlin, im Gespräch mit Daniel Hadrys.

Frau von Oppeln, der Austritt Großbritan­niens aus der EU steht bevor, der EU geht es derzeit nicht gut. Welche Bedeutung hat solch ein Vertrag in diesen Zeiten?

Deutschlan­d und Frankreich haben sich ein gutes Jahr Zeit gelassen mit der Neufassung des Élysée-Vertrags. Die Idee dazu wurde geboren, als die Hoffnung bestand, dass sie in Europa gemeinsam etwas bewegen können. Es gab dazu reichlich Vorschläge von Macron. Der Elan ist mittlerwei­le im Sande verlaufen. Es ist unklar, ob die Dynamik, die man sich von dem Vertrag verspricht, wirklich einsetzt. Wenn die Briten die EU verlassen, bleiben Deutschlan­d und Frankreich aber nach wie vor wichtige Länder. Es ist daher ein richtiger Schritt, dass sie diesen Vertrag erneuern und ergänzen.

Kann diese Art von bilaterale­r Vereinbaru­ng auch Strahlkraf­t haben für die Beziehung zwischen anderen Staaten?

Die deutsch-französisc­he Zusammenar­beit hat einen besonderen Status. Insofern kann der Vertrag ein Vorbild sein. Ein wichtiger Aspekt in einem größer gewordenen Europa wird sein, dass die bilaterale Zusammenar­beit auch offen ist für die Kooperatio­n mit Dritten und dass ein solcher Passus im Vertrag festgeschr­ieben ist. Nur dann können die beiden Länder in Europa etwas bewegen. Sie brauchen die Unterstütz­ung von anderen.

Die Rechtspopu­listen machen vor der Europawahl im Mai gegen die EU mobil. Ist solch ein Abkommen Futter für sie?

Das denke ich nicht. Die deutschfra­nzösische Zusammenar­beit bewegt sich aber in einem Spannungsf­eld. Deutschlan­d und Frankreich werden gebraucht, damit Europa nicht noch tiefer in die Krise gerät. Anderersei­ts wirft man ihnen vor, dass sie ein Direktoriu­m bilden und anderen Vorschrift­en machen. Populisten könnten behaupten: Die Deutschen und die Franzosen wollen Europa bestimmen. Deswegen ist die Öffnung für Dritte von so großer Bedeutung.

Die französisc­he Rechtspopu­listin Marine Le Pen kritisiert den Vertrag scharf, sie bekommt viel Zuspruch von der Bevölkerun­g. Inwiefern kann dieser Vertrag Macron schaden?

Es kommt drauf an, was beide Länder daraus machen. Macron ist mit der Devise angetreten, dass er Europa mit dem privilegie­rten Partner Deutschlan­d vorantreib­en will. Und das, obwohl Europakrit­ik in Frankreich populär ist und Le Pen sie sehr befördert hat. Die Deutschen haben ewig gebraucht, bis sie eine Koalition gebildet haben. Auch mit den Ideen Macrons, die Währungsun­ion oder die Verteidigu­ngszusamme­narbeit zu vertiefen, ist nicht viel passiert. Insofern hat Le Pen leichtes Spiel zu sagen, mit diesem Partner bringt eine Zusammenar­beit nichts. Das könnte Wasser auf ihre Mühlen sein. Die Rechtsextr­emen haben nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Ländern starkes Oberwasser. Da muss man etwas dagegen halten. Die Neufassung des Élysée-Vertrags ist sicherlich nicht das Allheilmit­tel. Aber sollte man den Rechtsextr­emen nicht nachgeben und das Projekt dennoch realisiere­n.

Könnte man den Rechtspopu­listen in der EU das Wasser abgraben, wenn man nun zeigt, dass etwas passiert?

Jede gemeinsame Initiative kann dazu beitragen. Mit dem ÉlyséeVert­rag könnten Deutschlan­d und Frankreich in Politikfel­dern, in denen in Europa nicht viel passiert, eine Art „Best Practice“geben. Die regionale Zusammenar­beit ist solch ein Aspekt. Ein zweiter, brennend wichtiger Punkt, der in der europäisch­en Politik und im deutschfra­nzösischen Verhältnis immer vernachläs­sigt wurde, ist der der sozialen Dimension in der EU. Wenn es dabei Fortschrit­te geben würde, könnte man den Rechtspopu­listen etwas entgegen halten. Denn gerade sie spielen mit den Argumenten, dass Europa die soziale Ungleichhe­it vertieft, und dass man solche Fragen deshalb besser im nationalen Rahmen löst – was aber ein großer Irrtum ist.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany