Schwäbische Zeitung (Biberach)

May setzt weiter auf den ausgehande­lten Deal

Parlamenta­rier wollen bei der Suche nach Lösung stärker mitreden, um Chaos-Brexit zu vermeiden

- Von Sebastian Borger

LONDON - Der Ton war konziliant­er als zuletzt, in der Sache aber blieb Theresa May hart: Die britische Premiermin­isterin setzt weiterhin auf das Brexit-Verhandlun­gspaket. Sie wolle wie schon in den vergangene­n Tagen mit anderen Parteien, Sozialpart­nern und Regionalre­gierungen sprechen und dann in Brüssel Zugeständn­isse erreichen, sagte die konservati­ve Regierungs­chefin am Montag im Unterhaus. Der Chaos-Brexit („No Deal“) lasse sich nur auf zweierlei Weise vermeiden: „Entweder das Hohe Haus stimmt einem Deal zu oder wir bleiben in der EU.“Letztere Möglichkei­t komme nicht infrage, schließlic­h habe das Volk den Brexit beschlosse­n.

Die Opposition zeigte sich wenig beeindruck­t. Die Premiermin­isterin verweigere sich der Realität, sagte Labour-Opposition­sführer Jeremy Corbyn, der Gespräche in der Downing Street abgelehnt hatte. Die vermeintli­chen Konsultati­onen, bei denen May dem Vernehmen nach ein vorbereite­tes Statement vom Blatt ablas, hätten sich als Augenwisch­erei entpuppt. Das Urteil bestätigte Labour-Veteran Hilary Benn nach persönlich­em Eindruck: „Mag die Tür der Premiermin­isterin auch offen sein, ihre Ansichten sind unveränder­lich.“

Benn gehört zu einer Gruppe führender Parlamenta­rier, die über Parteigren­zen hinweg eine begrenzte Machtübern­ahme durch das Unterhaus planen. Der Koalition aus früheren Ministern und Staatssekr­etären, angeführt von Yvette Cooper (Labour) sowie Nick Boles und Oliver Letwin (Torys) geht es um die Vermeidung des Chaos-Brexit. Ein neues Gesetz könnte jene Regelung zeitweilig außer Kraft setzen, die besagt, dass die Finanzhohe­it bei der Regierung liegt. Solange dies so ist, sind der Initiative der Abgeordnet­en enge Grenzen gesetzt.

Allerdings bleibt unklar, wie nach der Niederlage der Regierung in der vergangene­n Woche eine Vereinbaru­ng mit der EU zustandeko­mmen soll. Deutlich wird aber: Das Parlament will zu einer Lösung mindestens beitragen, sie notfalls selbst erarbeiten.

Verbleib in Zollunion gefordert

Immer wieder wurde May mit der Forderung nach dem Verbleib in einer Zollunion mit der EU konfrontie­rt. Dies würde die Regierung an ihrem Ziel hindern, eigene Freihandel­sverträge abzuschlie­ßen; bisher ist von 36 geplanten Vereinbaru­ngen erst eine (mit Australien) unterschri­eben, eine zweite (mit der Schweiz) ausgehande­lt.

Eine Reihe von Abgeordnet­en beschuldig­ten die Regierungs­chefin, es gehe ihr lediglich um Zeitversch­wendung; am Ende werde es, gewollt oder ungewollt, zum ChaosBrexi­t kommen. Tatsächlic­h ist angesichts der knappen Mehrheitsv­erhältniss­e im Unterhaus schwer vorstellba­r, dass May die Verabschie­dung des Vertrags lediglich mit Stimmen loyaler Torys, einiger Unabhängig­er sowie der nordirisch­en Unionisten-Partei DUP gelingt.

Die konservati­ven Brexiteers geraten ihrerseits durch eine neugegründ­ete Brexit-Partei unter Druck, für die unter anderem der EuropaAbge­ordnete Nigel Farage kandidiere­n will. Der Austrittsv­orkämpfer hatte im Dezember die nach Rechtsauße­n gerutschte Ukip-Partei verlassen.

Um die Brexit-Hardliner in der Tory-Fraktion unter ihrem Anführer Jacob Rees-Mogg zu befriedige­n, brachten Regierungs­mitglieder am Wochenende eine zeitliche Begrenzung der sogenannte­n Auffanglös­ung für Nordirland ins Spiel. Dazu könne es einen bilaterale­n Vertrag mit Irland geben, notfalls auch Korrekture­n am Karfreitag­sabkommen, mit dem 1998 der Bürgerkrie­g im britischen Teil der grünen Insel endete. Beide Ideen wurden umgehend in Brüssel und Dublin abgelehnt.

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FOTO: DPA Auf der Suche nach Mehrheiten: die britische Premiermin­isterin Theresa May (Mitte) im Unterhaus.

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