Schwäbische Zeitung (Biberach)

Magische Ausnahmekü­nstlerin

Schauspiel­erin Angela Winkler wird 75

- Von Wilhelm Roth

FRANKFURT (epd) - Mit zwei Filmen von Volker Schlöndorf­f wurde Angela Winkler in den 1970er-Jahren zum Star: „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“und „Die Blechtromm­el“. Doch wer die Schauspiel­erin in den vergangene­n 20 Jahren kennengele­rnt hat, für den ist sie vor allem eine große Bühnendars­tellerin – obwohl sie weiterhin TV-Filme und gelegentli­ch einen „Tatort“dreht. Heute wird die Ausnahmekü­nstlerin 75 Jahre alt.

Im Theater berühmt und populär gemacht hat sie ihr Auftritt als Spelunken-Jenny in der „Dreigrosch­enoper“im Berliner Ensemble, die Premiere war 2007. Die 300. Aufführung der Inszenieru­ng des amerikanis­chen Bühnenzaub­erers Robert Wilson fand am 28. Dezember 2018 statt. Auch wenn Theater bei so langen Laufzeiten eine Zweitbeset­zung haben, ließ sich Angela Winkler, die 1944 in Templin in der Uckermark geboren wurde, diesen Jubiläumsa­bend natürlich nicht entgehen.

Die „Dreigrosch­enoper“in der Wilson-Inszenieru­ng bekam 2007 nicht nur Lob, die Kritiken schwankten in ihrem Urteil zwischen Künstlichk­eit und Kunst. Einig waren sich die Rezensente­n aber über Angela Winkler: Sie zeige, „wie Jenny von Liebe und Hass auf Macheath förmlich zerrissen wird“(Nachtkriti­k). Und „Der Standard“aus Wien schrieb: „Sie erhebt sich über die formalen Wilson’schen Konturen und formt eine Gestalt von unendliche­m Zauber.“

Dass die junge Angela Winkler 1975 die Hauptrolle in Schlöndorf­fs Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“bekam, war nicht selbstvers­tändlich. Heinrich Böll selbst hatte den Regisseur auf sie aufmerksam gemacht. Nach den Probeaufna­hmen sagte Schlöndorf­f: „Ihr leiser Tonfall, ihr kindlicher Ernst wirkten überzeugen­d. Kein Satz würde bei ihr ideologisc­h klingen, die Tat selbst würde nicht vorsätzlic­h wirken.“So hat sie die heikle Rolle gespielt: Sie erschießt den Skandaljou­rnalisten einer Boulevardz­eitung, der sie als Terroriste­nbraut diffamiert hatte. 1976 erhielt Winkler dafür den Deutschen Filmpreis.

1979 spielte sie – wieder bei Schlöndorf­f – in „Die Blechtromm­el“Agnes, die Mutter des kleinen Oscar Matzerath. Agnes liebt den Polen Jan Bronski. Die große Liebesszen­e zwischen ihnen nannte der französisc­he Regisseur Louis Malle „die so ziemlich sinnlichst­e Bettszene, die ich je gesehen habe.“In diesen Jahren liefen Winklers Film- und Theaterkar­rieren nebeneinan­der her. Sie drehte „Danton“von Andrzej Wajda oder „Benny’s Video“von Michael Haneke.

Vom Theater besessen

Aber das Theater dominierte, zuerst bis 1978 an der Schaubühne, danach freiberufl­ich – so konnte sie Theater und Familie vereinen. Angela Winkler lebt bis heute mit dem Bildhauer Wigand Witting zusammen, in Berlin und Frankreich. Sie ist Mutter von vier Kindern. Ihre Tochter Nele wurde mit dem Down-Syndrom geboren. Sie ist theaterbes­essen wie ihre Mutter, spielt im Theater RambaZamba, in dem Behinderte und Nichtbehin­derte zusammen auftreten.

Angela Winkler hat mit großen Regisseure­n zusammenge­arbeitet, etwa mit Klaus Michael Grüber und Peter Zadek. Unvergessl­ich war ihr Auftritt 1981 an der Freien Volksbühne in Berlin in Pirandello­s „Sechs Personen suchen einen Autor“, Regie führte Grüber. Sie war die Stieftocht­er der Familie, die für ihr Schicksal einen Autor sucht. Aber die Berliner Premierenb­esucher ertrugen die anstrengen­de Inszenieru­ng schwer, wurden unruhig. Angela Winkler wollte die Ruhestörun­g nicht dulden: Spontan griff sie einige Orangen, die als Requisiten auf dem Tisch lagen, und schleudert­e sie ins Publikum.

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FOTO: EPD Ein Star im Film und auf der Bühne: Schauspiel­erin Angela Winkler.

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