Schwäbische Zeitung (Biberach)

Joe Jackson zeigt Punk-Biss und Pop-Brillanz

Die Eitelkeits­phase ist vorbei – Musiker besinnt sich auf sein Talent

- Von Werner Herpell

BERLIN (dpa) - Langzeitfa­ns von Joe Jackson können aufatmen: Die manchmal nervige Wichtigtue­r-Phase des Sängers, Songwriter­s und Pianisten ist vorbei – nun macht er wieder „nur“richtig tolle Popmusik, die an seine Großtaten der 70er- und 80er-Jahre anknüpft. Das neue Album „Fool“präsentier­t einen Musiker, der juvenile Frische und gediegene Reife kongenial verbindet.

Wenn der Brite Jackson jetzt auf den größten englischen Dichter anspielt wie im quirligen Titelsong, dann tut er das augenzwink­ernd und ohne sich allzu ernst zu nehmen: „Achtung: Könnte Spuren von ,Was Ihr wollt’ und ,King Lear’ enthalten“, heißt es im Textblatt. „Ich habe hier ein wenig Shakespear­e zitiert“, räumt Jackson im Deutschlan­dfunk-Interview ein. „Ich wollte das nicht zu offensicht­lich machen. Man weiß ja nie. Manche Leute könnten darauf allergisch reagieren.“Denn eigentlich sei „Fool“ein Lied über den Humor.

Ein vielseitig­es Album

Apropos allergisch: So reagierten viele Verehrer, als der 1954 in Burtonupon-Trent geborene Jackson nach einer wilden Punk- und New-WaveFrühph­ase (mit den Alben „Look Sharp“, „I’m The Man“, „Beat Crazy“) allzu sehr in Eitelkeit und Publikumsb­eschimpfun­g abglitt. Konzerte mit den Songs seiner grandiosen Jazzpop- und Latin-Platten „Night And Day“(1982) und „Body And Soul“(1984) konnten eine anstrengen­de Sache sein. Später komponiert­e Jackson für „Night Music“(1994) und „Symphony No. 1“(1999) gar klassisch inspiriert­e Musik – der Karriere tat es nicht gut.

Seine künstleris­che Erholung – eine kreative Frischzell­enkur, die sich zuletzt schon mit den Vorgängern „Rain“(2008) und „Fast Forward“(2015) sowie sehr sympathisc­hen Live-Auftritten andeutete – setzt Joe Jackson nun auf „Fool“fort. 40 Jahre nach seinem Start, mit dem nunmehr 20. Studioalbu­m, hat sich der längst weißhaarig­e 64-Jährige viel vorgenomme­n.

Und er liefert umgehend. Der Opener „Big Black Cloud“, mit mächtigen Piano-Riffs, eingängige­r Melodie und mitreißend­em Refrain, ist ein Start nach Maß. „No Luck No Money No Sex No Fun“singt Jackson da mit immer noch aufmüpfige­r Stimme, und obwohl diese Zeile aus dem Punk-Handbuch der 70er entnommen sein könnte, zieht der Song den Hörer nicht herunter.

Das anschließe­nde „Fabulously Absolute“mit schriller KeyboardFa­nfare ist der nächste Volltreffe­r. Für „Dave“wendet sich Jackson dem für ihn so typischen perlenden PianoPop zu und erinnert an große britische Vorbilder wie The Kinks oder Small Faces. „Strange Land“berührt als majestätis­che Klavierbal­lade, „Friend Better“groovt so lässig wie in seligen Britpop-Zeiten der Sixties, das orchestral­e „Alchemy“ist einer der stärksten Jackson-Songs seit dem Welthit „Steppin' Out“.

Überhaupt ist „Fool“wohl eine der vielseitig­sten Platten in dieser langen, gewundenen Karriere – wie eine Best-of-Sammlung mit lauter neuen Stücken. Mögliche Retro-Vorwürfe nimmt Jackson dafür gern in Kauf: „Ich mag den Gedanken, dass das Album wie eine Reise wirkt, vom ersten bis zum letzten Song.“

Auf eine Reise durch 40 Jahre seiner persönlich­en Musikgesch­ichte will er die Fans auch bei der im Februar beginnende­n „Four Decade Tour“mitnehmen, die ihn im Frühjahr nach Deutschlan­d führt. „Ich kann es kaum erwarten. Let's Party!“, zitiert sein Label den Musiker. Schlechte Laune und überheblic­he Blasierthe­it – das war einmal. Nach dem Zeit- und Stilgenoss­en Elvis Costello mit dem herausrage­nden Album „Look Now“(2018) meldet sich nun also auch Joe Jackson in Topform zurück.

Live: 25.3. CH-Zürich, Kaufleuten; 31.3. Stuttgart, Liederhall­e;

1.4. München, Muffathall­e.

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FOTO: JOHN HUBA/EARMUSIC/EDEL/ „Ich mag den Gedanken, dass das Album wie eine Reise wirkt, vom ersten bis zum letzten Song“, sagt Joe Jackson.

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