Schwäbische Zeitung (Biberach)
Abschied von den Chiffren
Pascow schicken mit „Jade“das erste Punkrock-Glanzlicht des Jahres ins Rennen
RAVENSBURG - Pascow gehören seit Jahren zum Allerbesten, was deutschsprachiger Punkrock zu bieten hat, für manche sind sie sogar die ungekrönten Könige. Mit „Jade“(Rookie Records) setzen die vier Musiker aus dem rheinland-pfälzischen Gimbweiler ein dickes Ausrufezeichen hinter diese Behauptung.
Den Abschied von „kryptischer Scheiße“kündigte Sänger Alex Pascow vor der Veröffentlichung der Platte an, und so gehen Pascow auf ihrem sechsten Studioalbum den Weg, den sie mit dem Vorgänger „Diene der Party“bereits eingeschlagen hatten: Die Texte sind direkter und deutlicher, sie leben weniger von Chiffren, sind allerdings trotzdem noch weit von plakativen Parolen entfernt, die man im Punk immer wieder findet.
Gegen rechte Hetze unter dem Deckmantel der „Asylkritik“positioniert sich die 1998 gegründete Band mit „Heute Jäger, morgen Taucher (Erwachen II)“. Das Gedankenspiel, dass die Unbarmherzigen von heute die Notleidenden von morgen sein könnten, ist hier in clevere Textzeilen gegossen: „Wenn sie euch jetzt aus den Fluten ziehen, weil ihr es nun seid, die was braucht, dann wird der laute Stolz von gestern zu fieser Angst, die nur leise leise rauscht.“
Raus aus der Komfortzone
Auch kaputtgegangene Beziehungen verarbeiten die vier Musiker aus Gimbweiler, so etwa in „Marie“und „Schmutzig Rot“(mit Gastgesang von Wick van Houdt). Am ungewöhnlichsten sticht „Wunderkind“aus diesen Nummern heraus: Der letzte Song des Albums gönnt harten Gitarren, Bass und Schlagzeug eine Pause, stattdessen tragen Alex' und
Nadine Nevermores Stimme sowie minimal angezerrte Gitarre und ein Klavier den Song. Im Netz sorge das Stück bereits vor der Albumveröffentlichung für Gesprächsstoff und wurde von der Fanbasis als mutiges Verlassen der Komfortzone goutiert. Mehrere Nutzer merkten auf Youtube aber auch an, dass das Lied stark an „Glycerine“der britischen Grungeband Bush erinnert. Es ist nicht der einzige Querverweis: Bei „Unter Geiern“zollt Alex Pascow mit improvisiert wirkenden „Be Aggressive!“-Rufen zudem den Crossover-Pionieren von Faith No More und deren gleichnamigem Song vom 1992er Album „Angel Dust“Tribut.
Mit dem Titelsong haben sich Pascow auf eine sympathische unaufdringliche Art ihr eigene Bandhymne geschrieben. Denn was sie
darin fordern – „Bleibt nur weg von leeren Szenedogmen und verdammtem Mittelmaß“– lösen sie selbt ja seit Jahren ein. Symptomatisch dabei die harten Gitarren: Die ruppigen Riffgewitter sind so charakteristisch für Pascow, dass man sie aus Hunderten anderer Bands heraushören würde. Musikalisch haben Pascow auf „Jade“feinjustiert, was bisher schon stark war, und mit mehr weiblichen Gastsängerinnen und BackgroundVocals neue Facetten gewonnen, so etwa auch bei der ersten Singleauskopplung „Silberblick und Scherenhände“, in deren Refrain die Sängerin Frau Wolf zu hören ist. Den wuchtigen Sound hat „Jade“übrigens von Kurt Ebelhäuser spendiert bekommen, der mit Blackmail jahrelang die deutsche Indierockszene geprägt hat.