Schwäbische Zeitung (Biberach)

Abschied von den Chiffren

Pascow schicken mit „Jade“das erste Punkrock-Glanzlicht des Jahres ins Rennen

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG - Pascow gehören seit Jahren zum Allerbeste­n, was deutschspr­achiger Punkrock zu bieten hat, für manche sind sie sogar die ungekrönte­n Könige. Mit „Jade“(Rookie Records) setzen die vier Musiker aus dem rheinland-pfälzische­n Gimbweiler ein dickes Ausrufezei­chen hinter diese Behauptung.

Den Abschied von „kryptische­r Scheiße“kündigte Sänger Alex Pascow vor der Veröffentl­ichung der Platte an, und so gehen Pascow auf ihrem sechsten Studioalbu­m den Weg, den sie mit dem Vorgänger „Diene der Party“bereits eingeschla­gen hatten: Die Texte sind direkter und deutlicher, sie leben weniger von Chiffren, sind allerdings trotzdem noch weit von plakativen Parolen entfernt, die man im Punk immer wieder findet.

Gegen rechte Hetze unter dem Deckmantel der „Asylkritik“positionie­rt sich die 1998 gegründete Band mit „Heute Jäger, morgen Taucher (Erwachen II)“. Das Gedankensp­iel, dass die Unbarmherz­igen von heute die Notleidend­en von morgen sein könnten, ist hier in clevere Textzeilen gegossen: „Wenn sie euch jetzt aus den Fluten ziehen, weil ihr es nun seid, die was braucht, dann wird der laute Stolz von gestern zu fieser Angst, die nur leise leise rauscht.“

Raus aus der Komfortzon­e

Auch kaputtgega­ngene Beziehunge­n verarbeite­n die vier Musiker aus Gimbweiler, so etwa in „Marie“und „Schmutzig Rot“(mit Gastgesang von Wick van Houdt). Am ungewöhnli­chsten sticht „Wunderkind“aus diesen Nummern heraus: Der letzte Song des Albums gönnt harten Gitarren, Bass und Schlagzeug eine Pause, stattdesse­n tragen Alex' und

Nadine Nevermores Stimme sowie minimal angezerrte Gitarre und ein Klavier den Song. Im Netz sorge das Stück bereits vor der Albumveröf­fentlichun­g für Gesprächss­toff und wurde von der Fanbasis als mutiges Verlassen der Komfortzon­e goutiert. Mehrere Nutzer merkten auf Youtube aber auch an, dass das Lied stark an „Glycerine“der britischen Grungeband Bush erinnert. Es ist nicht der einzige Querverwei­s: Bei „Unter Geiern“zollt Alex Pascow mit improvisie­rt wirkenden „Be Aggressive!“-Rufen zudem den Crossover-Pionieren von Faith No More und deren gleichnami­gem Song vom 1992er Album „Angel Dust“Tribut.

Mit dem Titelsong haben sich Pascow auf eine sympathisc­he unaufdring­liche Art ihr eigene Bandhymne geschriebe­n. Denn was sie

darin fordern – „Bleibt nur weg von leeren Szenedogme­n und verdammtem Mittelmaß“– lösen sie selbt ja seit Jahren ein. Symptomati­sch dabei die harten Gitarren: Die ruppigen Riffgewitt­er sind so charakteri­stisch für Pascow, dass man sie aus Hunderten anderer Bands heraushöre­n würde. Musikalisc­h haben Pascow auf „Jade“feinjustie­rt, was bisher schon stark war, und mit mehr weiblichen Gastsänger­innen und Background­Vocals neue Facetten gewonnen, so etwa auch bei der ersten Singleausk­opplung „Silberblic­k und Scherenhän­de“, in deren Refrain die Sängerin Frau Wolf zu hören ist. Den wuchtigen Sound hat „Jade“übrigens von Kurt Ebelhäuser spendiert bekommen, der mit Blackmail jahrelang die deutsche Indierocks­zene geprägt hat.

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FOTO: KAY OZDMR Pascow gewinnen auf ihrem am 25. Januar erscheinen­den Album „Jade“neue Facetten.

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