Schwäbische Zeitung (Biberach)
Landkreis preist die Biomülltonne an
Behörde muss die Abfuhr derzeit subventionieren – Tausende Haushalte angeschrieben
RAVENSBURG - Der Landkreis Ravensburg will mehr Haushalte für die Biotonne begeistern. In einem Schreiben an Tausende Bürger werden „interessante Vorteile“angeführt: Man müsse im Winter nicht durch den Schnee zum Komposter stapfen und habe im Sommer keinen Gestank im Garten, stattdessen „Platz für eine lauschige Gartenbank“, wie es in den Briefen heißt. Aber warum preist der Landkreis die Biotonne so an?
Zum Ende des Jahres 2018 gab es im Kreis Ravensburg rund 36 700 Biotonnen. Das Landratsamt schätzt, dass darin 45 000 Haushalte (von insgesamt 89 000 im ganzen Landkreis) ihre organischen Abfälle entsorgen, da es auch zugelassen ist, sich eine Biotonne mit Hausmitbewohnern zu teilen. Doch offenbar sind es nicht genug, um die Abfuhr und Verwertung der Abfälle kostendeckend zu betreiben.
Luft nach oben bei der Menge
„Derzeit sammeln wir rund 31 Kilogramm Biomüll pro Einwohner und Jahr“, sagt eine Sprecherin des Landratsamts. Nach Einschätzung des Umweltministeriums müsste im Landkreis Ravensburg das Potenzial an Biomüll bei mindestens 40 Kilo pro Einwohner und Jahr liegen, so die Sprecherin weiter. Der Durchschnitt liegt längst höher. In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2017 rund 50 Kilogramm pro Einwohner und Jahr häusliche Bio-Abfälle gesammelt, wie die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) mitteilt. Ziel bis 2020 sind demnach 60 Kilogramm. Hintergrund des formulierten Ziels: Aus Bioabfall kann Energie gewonnen werden. Schon im Jahr 2015 konnten laut Umweltministerium 130 000 Menschen mit Strom und Wärme versorgt werden, mit der Energie, die aus baden-württembergischem Biomüll gewonnen wurde.
Der Biomüll aus dem Landkreis Ravensburg wird nach Lustenau in Österreich in eine Vergärungsanlage gebracht. „Trotz des langen Transportwegs ist die Ökobilanz nach Bewertung der Fachleute positiv“, teilt der Landkreis mit.
Der Kreis hat mit dem Verwerter einen Zehn-Jahres-Vertrag, der von 2016 bis 2025 läuft. Laut LUBW muss für Vergärung und anschließende Kompostierung zwischen 75 und 110 Euro pro Tonne vom Anlieferer bezahlt werden – im konkreten Fall also vom Landkreis.
Finanziell ist die Biomüllabfuhr derzeit im Kreis Ravensburg ein Zuschussgeschäft. Die Abfallgebühren der Bürger reichen nicht aus, um alle Kosten zu decken. Das Defizit gleiche der Kreis mit einer in den vorausgegangenen Jahren angesparte Gebührenrücklage aus.
Kreis: Nicht in Restmüll werfen
Der Landkreis hat nach eigenen Angaben das Ziel, den entstehenden Aufwand voll über die Gebühr abzudecken. Je mehr Haushalte eine Biotonne nutzen, desto höher wird das Gebührenaufkommen beim Landkreis. Die Behördensprecherin betont aber: „Unsere Werbeaktion hat jedoch nichts mit der Rentabilitätsfrage zu tun, sondern unser Anliegen ist, für das Winterhalbjahr den Haushalten eine komfortable und ökologische Lösung für den Bioabfall anzubieten“, sagt sie. „Der Biomüll darf aus unserer Sicht nicht im Restmüll landen, nur weil der Komposter nicht befüllt werden kann.“
Der Vorsitzende des NABU in Ravensburg, Willi Mayer, leuchtet hingegen nicht ein, warum ein geschlossener Komposter, in dem eine gewisse Temperatur gehalten wird, nicht das ganze Jahr über befüllt werden soll. Bei einem offenen Komposter sei es anders, da könnten im Winter Mäuse und Ratten angelockt werden, weil diese Tiere in freier Natur nicht so viel Nahrung finden wie im Sommer. Manfred Walser vom BUND ist der Meinung, dass man auch einen offenen Komposthaufen im Winter befüllen kann, man müsse ihn aber im Frühjahr danach umsetzen. Das heiße, dass man die Speisereste mit Grüngut und Erde schichte, damit die Zersetzung in Gang kommt. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Abfälle faulen, sagt er.
Die Stadt Ravensburg unterstützt die Anschaffung eines Komposters mit bis zu 20 Euro. Die Landkreisverwaltung stört das nicht. Man wolle keinesfalls die eigene Kompostierung durch die Biotonne ersetzen, sagt die Sprecherin. „Bio-Abfälle in einem eigenen Komposter zu verwerten ist immer noch die beste Lösung. Daher sehen wir diese Aktion der Stadt Ravensburg natürlich positiv.“Das Umweltministerium ist indes überzeugt: „Eigenkompostierung ist weiterhin erlaubt. Im Zweifel stellt die Biotonne die höherwertige Verwertungsmethode dar.“