Schwäbische Zeitung (Biberach)
Jung, teuer, schwach
Die Reschke-Einkäufe vom Sommer fassen beim VfB nicht Fuß – schafft es ein 18-Jähriger?
STUTTGART - Nicht nur einen Mann, auch eine Niederlage in der FußballBundesliga muss man sich offenbar zuweilen schöntrinken. So oder so ähnlich klang die „Bild“-Exklusivstory von Sonntagnacht. Demnach habe der VfB Stuttgart nach dem 2:3 gegen den FSV Mainz, der dritten Pleite in Folge, munter im Edel-Lokal „Amici“in der Nähe des Hauptbahnhofs gefeiert – die Boulevard-Zeitung belegte es mit Facebook-Bildern des Weltmeisters Benjamin Pavard und von Emiliano Insua samt Gefährtinnen. In Wahrheit handelte es sich um eine normale Mannschaftsfeier, die Mitte Dezember aufgrund der schlechten sportlichen Lage des VfB und des überraschenden Todes des Vaters von Kapitän Christian Gentner abgesagt worden war. „Das Wort ,Party’ muss man in diesem Zusammenhang wirklich streichen“, stellte VfB-Pressesprecher Tobias Herwerth klar, vorsorglich wurden die Bilder allerdings wieder aus dem Internet gelöscht.
Alles, was der VfB tut, wird derzeit nämlich gegen ihn verwendet – nach der bereits zwölften Niederlage im 18. Ligaspiel und einer fast schon obligatorisch über dem Wasen schwebenden Fasnetsfigur namens „Abstiegsgespenst“ein üblicher Prozess in der Medienwelt. Dass der VfB im mutmaßlichen Vierkampf um den Klassenerhalt – der Liga-14. ist bereits sieben Zähler entfernt – nicht noch mehr Druck bekommt, liegt auch an der Konkurrenz: Der FC Augsburg ist bereits seit neun Spielen ohne Sieg, Hannover 96 seit sieben Partien, Schlusslicht 1. FC Nürnberg seit rekordverdächtigen zwölf Begegnungen. Gegen 96 und den „Club“hat Stuttgart immerhin noch Heimspiele, ohnehin hat zumindest Stürmer Mario Gomez keine Angst davor, bliebe der VfB am Ende das, was er auch jetzt ist – auf dem Relegationsplatz. „Ich werde in meiner Fußball-Vita nicht „Absteiger“drin haben. Der Qualitätsunterschied zwischen erster und zweiter Liga zeigt sich in der Relegation, dass sich in zwei Spielen in der Regel der Erstligist durchsetzt“, sagte Gomez – allerdings vor dem 2:3 gegen Mainz.
Das legte nun die Schwachstellen der Mannschaft noch einmal bloß – auch für die drei Jungstars Pablo Matteo, Borna Sosa und Nicolas Gonzalez, die Manager Michael Reschke für 25 Millionen Euro an Bord holte, war es ein fataler Dämpfer. Gonzalez, bis dato
als Chancentod in die Club-Annalen eingegangen, köpfte zwar das Tor zum 1:3, sein zweites im VfB-Trikot, hatte kurz zuvor aber das vorentscheidende 0:3 verschuldet, als er den Mainzer Maximilian Hack bei einem Eckball aus den Augen ließ. „Es gibt klare Zuordnungen, alle kennen sie, auch die Eingewechselten“, wetterte Timo Baumgartl, ohne Namen zu nennen. Linksverteidiger Sosa war ein steter Gefahrenherd fürs eigene Gehäuse, auch, weil er zwar hübsche blaue Schuhe trug, nicht aber die passenden Stollen. Rechtsverteidiger Pablo Maffeo stand gleich gar nicht im Kader, bekam aber am Sonntag das meiste Fett des Trainers ab. Der 21Jährige durfte nicht mal am Spielersatztraining teilnehmen, er absolvierte Dauerläufe, alleine. Weinzierl sagte: „Da bin ich ehrlich: Er macht mir zu wenig. Ich kritisiere seine Leistungsbereitschaft. Wir haben ihn laufen lassen, damit er an seinen Grundlagen arbeitet. Da gibt es Aufholbedarf.“Für
neun Millionen Euro wurde Maffeo im Sommer von Manchester City geholt, nun will ihn der VfB ausleihen lassen. „Es gibt ein paar Anfragen. Aber es muss schon alles passen – auch für uns“, sagte Reschke.
Maffeo als Ablenkungsmanöver
Maffeo taugte ganz gut als Ablenkungsmanöver am Sonntag, das Spiel verloren aber hatte nicht er, sondern die 14 Akteure und ihr Trainer, dessen Rochaden nichts bewirken. Noch immer rätselt Weinzierl, wie er seinem Team Stabilität geben kann – mal versucht er es mit einem Sechser, mal mit zweien. Und noch immer vermag auch er es nicht, dem schlampig-genialen Griechen Anastasios Donis wirklich zu vertrauen. Der 23-Jährige (fünf Spiele von Beginn an, zwei Tore) ist mit einem kicker-Notenschnitt von 3,67 bester – und mit Abstand schnellster – Stuttgarter vor Didavi (3,70) und Kempf (3,88), bloß: Eine dauerhafte Chance bekommt er nie.
Weinzierl setzt weiter auf die offenbar bevorstehenden Comebacks von Spielmacher Didavi und Pavard – und auf den Einstand des türkischen Elf-Millionen-Euro-Rekordverteidigers Omer Kabak, der am Sonntag erstmals mittrainierte. „Wir haben die Hoffnung, dass er uns schnell hilft“, sagte der Trainer danach. Verheizen allerdings sollte er den 18-Jährigen eher nicht. Eine Packung beim FC Bayern am Sonntag, und auch bei Kabak könnte all jenes Selbstbewusstsein, das er seit dem Sommer bei Galatasaray Istanbul sammelte, schnell verflogen sein. Zudem wären die Amtsinhaber Kempf und Baumgartl wenig erfreut, würde ein Junior, der gerade mal ein paar Tage mittrainiert hat, sie flugs in der Stammelf verdrängen.
Gleichwohl wird das Spiel in München das leichteste des Jahres für den VfB, Baumgartl nennt es ein „Bonusspiel“. Keiner erwartet einen Punkt – danach gegen Freiburg und in Düsseldorf dürfte es keine Boni mehr geben.