Schwäbische Zeitung (Biberach)
Strobel-Drama überschattet WM-Party
Kroatien besiegt, Halbfinale sicher – Heim-Turnier für Balinger Routinier wohl beendet
KÖLN - Sie rissen die Arme hoch, wussten nicht wohin mit ihrer Freude, aus den Lautsprechern dröhnte: „Oh, wie ist das schön“, die Fans schrieen, doch alles zurück, ein letzter kroatischer Freiwurf – in der letzten Sekunde. Erinnerungen an die Vorrunden-Partien gegen Russland und Frankreich wurden wach, doch der Wurf ging ins Hallen-Niemandsland. Die DHB-Spieler tanzten, feierten nach dem intensiven 22:21 (11:11)Erfolg gegen Kroatien nicht nur ihren Erfolg, sondern auch den Halbfinal-Einzug. „Wir sind ziemlich stolz, aber alle auf dem Boden geblieben. Aber wenn man im Halbfinale steht, will man auch ins Finale“, sagte Abwehr-Kante Patrick Wiencek über den Sieg, der jedoch mit dem Verlust von Martin Strobel hart erkauft war. Steffen Weinhold meinte: „Wir wollten das Spiel heute auch für Martin gewinnen. Nach der Partie stand das in der Kabine im Vordergrund. Wir sind in Gedanken bei ihm.“
Denn war es ein Moment, der auf dem Weg zum Titel einiges verändern könnte. Es lief die neunte Minute, als Strobel, bisheriger Chefstratege und unumstrittener Ruhepol des DHB-Teams auf dem Feld, umknickte, auf den Boden sank und sich ans linke Knie griff. Die deutsche Bank stand geschlossen mit bangen Gesichtern vor ihnen Sitzen, als der 32jährige Routinier der HBW BalingenWeilstetten mit der Trage vom Feld befördert wurde und sich immer wieder resignierend mit der Hand über das Gesicht fuhr. Doch während die Halle den einzigen Zweitligaspieler der Mannschaft mit „Martin Strobel“-Sprechchören von der Platte geleitete, kam die erste Diagnose: Innenbandriss, zudem besteht beim Europameister von 2016 der Verdacht auf einen Kreuzbandriss. Doch Alexander Haase zeigte die Marschrichtung an: Der Co-Trainer schlug sich immer wieder mit der rechten Faust gegen die Brust: Motto: Jungs, weiter. Jetzt erst recht! Für Martin!
„Wir haben uns untereinander davor bewahrt, es auf dem Spielfeld direkt in die Köpfe zu lassen. Jetzt hoffen wir, dass es ihm bald wieder gut geht“, sagte Weinhold. Christian Prokop wollte sich noch nicht auf weitere Schritte festlegen: „Wir werden
das jetzt mit allen Trainern in Ruhe abwägen und auch mit Martin sprechen.“Der Bundestrainer wollte jedoch vordergründig das Erreichte würdigen. „Für uns ist das momentan die geilste Zeit im Job. Es ist schön, dass wir derzeit auf der Sonnenseite stehen.“
Und die hatte zwar während der Partie nicht nur Licht, doch ganz viel Entschlossenheit. Denn das DHBTeam reagierte auf den Ausfall seines Lenkers mit Trotz – und Wut. Der gerade wieder genesene Weinhold warf sich in die kroatischen Verteidiger. Als Steffen Fäth wenig später eine 105-km/h-Kanone ins Tor donnerte, der immer mehr ins Turnier kommende Fabian Wiede sich gleich sechsfach in die Trefferliste eintrug, dominierte unbändiger Wille das deutsche Spiel.
Jetzt haben alle Gegner Angst
Doch waren es zwei Faktoren, die lange Zeit alles kompensierten: Der einmal mehr dominierende Torhüter Andreas Wolff, der 34 Kilometer von seinem Geburtsort Euskirchen Paraden en masse präsentierte, und nicht zuletzt die Kölner Halle, die durch ihre Wucht nach vorn trieb.
Und die zum Kreis der TurnierFavotien zählenden Kroaten? Stellten mit ihrer offensiven Abwehrarbeit die deutschen Angreifer lange
Zeit vor Probleme, wirkten ohne ihren zuvor ebenfalls verletzungsbedingt aus dem Turnier ausgeschiedenen Spielmacher Luka Cindric aber häufig ideenlos. Und so reichte es in diesem Abnutzungskampf der Handball-Größen am Ende wirklich zum Happy End, auch wenn der Matchball für die deutschen Handballer überraschend gekommen war.
Dass alles schon vor dem letzten Hauptrundenspiel gegen Spanien (Mi., 20.30/ARD) für eine frühe WMParty vorbereitet war, war einmal mehr den Brasilianern geschuldet, die tags zuvor ebenfalls gegen Kroatien gesiegt und Schützenhilfe geleistet hatten. Sieben WM-Spiele, keine Niederlage, zudem der sichere Halbfinaleinzug
stehen nun zu Buche – und das in einer Gruppe mit Frankreich, Spanien und Kroatien. Gegen Spanien werden nun, so Fabian Böhm, „die Kräfte eingeteilt“, bevor es nach Hamburg geht. Und da ist die Ausgangslage eindeutig, wie BammBamm Wiencek weiß: „Dort haben wir ein Heimspiel, und da wird jede Mannschaft Angst vor uns haben.“
Die Treffer für Deutschland erzielten: Wiede (Berlin/6), Gensheimer (Paris/4), Pekeler (Kiel/3), Böhm (Hannover/2), Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen/2), Häfner (Hannover/2), Fäth (Rhein-Neckar Löwen/2), Wiencek (Kiel/1).