Schwäbische Zeitung (Biberach)
Roboter sind doch keine Menschen
Japanische Hotelkette feuert „dienstbare Geister“wegen Unfähigkeit
TOKIO
- Sie waren die Stars der japanischen Hotel-Szene: Roboter, die beinahe alle Jobs in einem solchen Gastbetrieb übernehmen. Fast schien es so, als würde der Mensch in diesem Gewerbe überflüssig. Jetzt werden viele „dienstbare Geister“plötzlich entlassen, ausgemustert und verschrottet. Die künstlichen Service-Mitarbeiter haben über weite Strecken versagt – und werden wieder durch Menschen „ersetzt“.
Es begann alles mit einem großen Hype im westjapanischen Sasebo bei Nagasaki. 2015 wurde dort mit gewaltigem Medien-Spektakel das „Hotel der Zukunft“eröffnet. Schon sein Name verspricht eine neue Dimension. Henn-na-Hotel bedeutet in etwa das seltsame, komische, in jedem Fall das „andere Hotel“. Weltweit staunte man, wie schnell und konsequent Science Fiction Realität wurde: An der Rezeption wurden Roboter platziert, die die Gäste in verschiedenen Sprachen begrüßen können. Nicht nur menschliche Abbilder, sondern auch Dinosaurier-Roboter hießen die Gäste willkommen. Transportroboter brachten das Gepäck auf die Zimmer, die Tür öffnete sich per Gesichtserkennung, smarte Assistenten versahen Dienst im Raum, bedienten zum Beispiel das Licht. Selbst die verantwortungsvolle Funktion des Concierge übernahm eine Maschine.
Angefeuert von der überwältigenden Resonanz wurde der Kader immer weiter aufgestockt, aus den 80 automatischen Kollegen am Anfang wurden bald 243. Das Henn-naHotel schien die praktische Lösung für den chronischen Arbeitskräftemangel in der drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt. Und es erwies sich als Attraktion für technikaffine Touristen aus Japan und der ganzen Welt. Schnell legte der Betreiber, das große Reiseunternehmen H.I.S, nach. Es folgten roboterbetriebene Gästehäuser in und um Tokio sowie in anderen Großstädten. Bis 2020, so der aktuelle Plan, sollen es 100 Henn-na-Hotels sein.
Sprachassistent weckt schnarchende Hotelgäste
Jetzt aber erlebt das Konzept einen herben Rückschlag. Viele dieser dienstbaren Geister haben in den Luxus-Herbergen offenbar versagt und mehr Frust als Freude ausgelöst, wie das „Wall Street Journal“herausfand. Mehr als die Hälfte der Automaten musste stillgelegt werden, weil sie den wenigen Menschen viel mehr Arbeit verursachten als abnahmen.
Als erster Roboter wurde der Concierge-Roboter „entlassen“. Er war programmatisch nicht in der Lage, Anfragen nach Flügen, Taxis, günstigen Straßenverbindungen oder auch nach Touristen-Attraktionen zufriedenstellend zu beantworten. Die Rezeption kann problemlos japanische Kunden einchecken. Pässe von Ausländern aber sind ein Problem, zum Kopieren brauchen sie menschliche Unterstützung.
Für Verdruss sorgte auch der persönliche Zimmer-Assistent „Churi“, der sprachgesteuert das Telefon ersetzte und Heizung sowie das Licht regulierte. Er konnte offenbar menschliche Geräusche nicht unterscheiden und reagierte auf das Schnarchen mancher Gäste mit den Worten „Entschuldigung, das habe ich nicht verstanden. Können Sie Ihre Frage wiederholen?“
Als Enttäuschung erwiesen sich auch einige im Henn-na eingesetzte Gepäckroboter. Sie funktionierten nur auf Ebenen sowie auf trockenen Böden und erreichten nur rund ein Viertel der mehr als 100 Zimmer des Hauses. Zuweilen blieben die Transporteure in den Gängen stecken, weil sie nicht aneinander vorbeikamen. Die Gäste klagten, die technischen Helfer seien zu langsam und laut.
Andere Hotels allerdings haben mit Greifarm-Robotern bessere Erfahrungen. Generell wird in Japan extrem viel mit solchen technischen Konzepten experimentiert. Viele positive Beispiele besonders in der Industrie, aber zunehmend auch in der Alten- und Krankenpflege sowie im Dienstleistungswesen bis hin zum ersten vollautomatischen Supermarkt zeigen, das Humanoide nützliche Helfer sein können.
Die H.I.S-Kette will ihr Konzept nicht komplett aufgeben, wie der Chef des Reiseveranstalters H.I.S, Hideo Sawada, betont. Er habe gelernt, dass viele Aufgaben derzeit nur für den Menschen geeignet seien. „Wenn du Roboter tatsächlich nutzt, erkennst du, dass es Plätze gibt, wo sie nicht praktisch sind oder die Menschen einfach nur nerven.“