Schwäbische Zeitung (Biberach)
VfB verspielt Sieg in der Nachspielzeit
Stuttgart verpasst Sieg gegen Freiburg in letzter Sekunde – es geht nur noch gegen Abstieg
STUTTGART (dpa) - Der FußballBundesligist VfB Stuttgart findet keinen Weg aus der sportlichen Krise. Im Baden-Württemberg-Duell gegen den SC Freiburg kam der VfB am Sonntag nicht über ein 2:2 hinaus. Linksverteidiger Emiliano Insua (75. Minute) und Daniel Didavi (83.) trafen für die Stuttgarter, die den Sieg aber verspielten und Mario Gomez noch mit Gelb-Rot (89.) verloren. Freiburgs Janik Haberer hatte mit seinem Treffer (4.) die Gäste in Führung gebracht. Zum Remis traf Florian Niederlechner in der Nachspielzeit. Zuvor hatte sich der FC Augsburg etwas Luft im Abstiegskampf verschafft. Der FCA besiegte Mainz mit 3:0. Alle Tore schoss der isländische Stürmer Alfred Finnbogason.
STUTTGART - Trainer Markus Weinzierl rannte mehr, als dass er schritt zu Schiedsrichter Deniz Aytekin und schrie ihn an. Der Frust musste raus nach dem 2:2 (0:1) gegen den SC Freiburg im Baden-Württemberg-Derby. In der vierten Minute der Nachspielzeit hatte der SC den Ausgleich geschafft, gegen einen VfB, der nach der Gelb-Roten Karte für Mario Gomez in Unterzahl war und nun nach dem nächsten Tiefschlag nicht mehr allzu viel zu haben scheint, an das er sich klammern kann im Abstiegskampf. Drei Punkte beträgt nun der Rückstand auf Platz 15 und Augsburg, ebenso viele auf Platz 17 und Nürnberg.
Dabei wäre ein Befreiungsschlag gegen die Breisgauer so wichtig und auch möglich gewesen. Doch die Probleme beim VfB haben derzeit einen Namen: fehlendes Selbstvertrauen. Dass gerade jenes beim Profisport entscheidend ist, dürfte bekannt sein. Und diesen Punktgewinn muss der VfB wie eine gefühlte Niederlage werten. „Ein Punkt ist natürlich zu wenig gegen so einen Gegner. Charakterlich ist die Mannschaft in Ordnung, aber wir machen zu viele Fehler“, sagte Kapitän Gentner und schob noch hinterher: „Gelb-Rot war ein Witz.“Gelb-Rot, damit ist der Platzverweis von Mario Gomez in der 89. Minute gemeint – der auch Weinzierl so auf die Palme brachte. „Der Schiedsrichter muss sich bewusst sein, dass so eine Szene entscheidend sein kann. Mit elf gegen elf hätten wir definitiv gewonnen“, so der Trainer. So aber gab es nur ein Remis – weil Niederlechner in letzter Sekunde traf. „Eine Niederlage wäre auch unverdient gewesen. Zum Glück bin ich dagestanden. Aber wir müssen zuvor auch das 2:0 oder 3:0 machen. Das müssen wir uns ankreiden“, so der SC-Stürmer.
Dass er diese Aussage treffen konnte, erklärt die Geschichte dieses turbulenten Spiels. „Wir haben gut angefangen, ein Tor gemacht und sind effizient gewesen. Moral, Einstellung, Haltung. Vor meinen Spielern kann ich heute nur den Hut ziehen“, meinte ein zufriedener SCTrainer Christian Streich. Weinzierl kam dagegen bereits nach vier Minuten
aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.
Nils Petersen passte beim ersten Sturmversuch Freiburgs in den Rücken der VfB-Abwehr, wo Janik Haberer wartete, den Ball annahm und mit einem Rechtsschuss in die linke Torecke schoss. Der erste Saisontreffer des gebürtigen Wangeners war auch der Startschuss für eine längere Stuttgarter Phase der Unsicherheit. Abspielfehler, vollkommen verzogene Abschlüsse, schlechtes Timing: Mit einem Gomez in der ersten Halbzeit auf der Bank und stattdessen Nicólas González sowie Anastasios Donis in der Offensive, fiel dem VfB nicht wirklich etwas ein, wirkte ideenlos und gehemmt. Dass es 32 Minuten bis zur halbwegs gefährlichen Situation durch Sebastian Esswein dauerte, ist symbolisch für den VfB dieser Tage. Dass ein Querlegen auf den Nebenmann in Überzahl vielleicht erfolgversprechender gewesen wäre – ebenfalls. Stattdessen zeigten die Breisgauer, wie einfach Fußball sein kann. Aus einer stabilen Abwehr heraus und mit dosiert, aber klug vorgetragenen Angriffen sorgten sie für den ästhetischen Part an
diesem Abend.
Doch dann stellte sich innerhalb von acht Minuten alles auf den Kopf. Emiliano Insua (75.) sorgte für das erste Lebenszeichen des VfB. Nach einer endlich einmal sehenswerten Kombination über Esswein und González drückte der argentinische Außenverteidiger den Ball ins Tor.
Nun wirkte der VfB plötzlich richtig
„Charakterlich ist die Mannschaft in Ordnung, aber wir machen zu viele Fehler.“Christian Gentner
willig und griffig, zudem kam das so oft vermisste Glück hinzu. Der eingewechselte Daniel Didavi (83.) traf und sorgte für Glücksgefühle, die jedoch in der Nachspielzeit durch Niederlechner bitter gebremst wurden und für viele Pfiffe von der Tribüne sorgte.
Die Punkteteilung bringt den Freiburgern definitiv mehr. „Das waren heute definitiv zwei Punkte zu
wenig. Wir haben im Spiel und auch in der Leistung ganz unterschiedliche Phasen gesehen. Was in dem Moment zählt, ist Kampf und Wille. Das wird in den nächsten Wochen entscheiden sein“, resümierte VfBSportvorstand Michael Reschke. Dass die Unsicherheit nicht kleiner geworden ist und nicht alle Maßnahmen von Weinzierl greifen, ist jedoch ebenfalls eine Erkenntnis. Das Spiel bei Abstiegskonkurrent Fortuna Düsseldorf kommenden Sonntag wird jetzt noch wichtiger.
Und auf welches Level die Ansprüche beim VfB schon gesunken sind, zeigt die Vorsicht, die alle Beteiligten bei ihren Formulierungen an den Tag legten. „Wir werden auch in Düsseldorf versuchen zu gewinnen“, sagte Reschke. Selbstbewusstsein klingt definitiv anders. Man brauche den Schulterschluss mit den Zuschauern nun dringend – und eben vor allem auch Erfolgserlebnisse. „Am liebsten wäre mir am Ende der Saison der 15. Platz. Wo wir auf dem Weg die Punkte holen, ist mir egal“, meinte Reschke.
Zumindest in der Realität scheint der VfB angekommen zu sein.