Schwäbische Zeitung (Biberach)
Mehr Geld im Alter für Geringverdiener
Arbeitsminister: Jahrelange Beitragszahler sollen immer über Hartz-IV-Niveau liegen
BERLIN - Wer jahrzehntelang in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll im Alter mehr bekommen als die Grundsicherung, die dem Hartz-IVNiveau entspricht. Dieses „Kernversprechen des Sozialstaats“will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit der Grundrente einlösen, für die er jetzt sein Konzept vorgelegt hat; es liegt der „Schwäbischen Zeitung“vor.
Voraussetzung sollen 35 Beitragsjahre auf dem Rentenkonto sein. Diese können nicht nur durch Beiträge erworben werden, also durch Berufstätigkeit, sondern auch durch Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen. Es wird nicht unterschieden, ob in Voll- oder Teilzeit gearbeitet wurde.
Obergrenze von 896 Euro
Minijobs sind allerdings ausgeschlossen. Weitere Voraussetzung ist nämlich, dass der Lohn mindestens 20 Prozent des Durchschnittsverdiensts erreicht. Das entspricht derzeit etwa 630 Euro Lohn im Monat. Ist dies erfüllt, werden die erworbenen Rentenansprüche verdoppelt, allerdings nur bis zu einer Obergrenze: Die Rente wird nach den derzeitigen Werten im Westen maximal auf 896 Euro aufgestockt, im Osten auf 859 Euro.
Den zusätzlichen Betrag soll die Rentenversicherung automatisch auszahlen. Heil will ausdrücklich auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten. „Ich fände es respektlos, wenn wir diese Menschen nach einem Arbeitsleben zwingen würden, beim Amt ihre Vermögensverhältnisse darzulegen“, begründete er dies in der „Bild am Sonntag“. Im Koalitionsvertrag ist allerdings ausdrücklich eine Bedürfnisprüfung vereinbart. Heil macht eine Beispielrechnung auf: Eine Friseurin, die 40 Jahre lang voll gearbeitet und den Mindestlohn erhalten hat, kommt derzeit nur auf 512,48 Euro Rente im Monat. Mit der Grundrente wären es 960,90 Euro. Dies ist mehr als der genannte Maximalbetrag, weil die Grundrente nur für 35 Jahre gezahlt wird. Fünf Jahre würden in diesem Fall nicht höhergewertet, aber die geringere Rente würde natürlich gezahlt.
Da die Wohnungsmieten in Ballungszentren besonders hoch sind, wäre in manchen Städten die Grundrente niedriger als die Grundsicherung im Alter einschließlich des Zuschusses zur Miete. Daher will Heil Beziehern von Grundrente etwa 125 Euro mehr Wohngeld in Form eines Freibetrags geben. Zudem will er ihnen 25 Prozent Freibetrag bei der Grundsicherung einräumen. Das entspricht derzeit maximal 106 Euro.
Nach Heils Plan sollen nicht nur neue Rentner Anspruch auf die Grundrente haben, sondern auch alle, die bereits Rente beziehen. Sie soll drei bis vier Millionen Menschen erreichen, zu drei Vierteln Frauen, und das spätestens ab Anfang 2021. Er rechnet mit einem „mittleren einstelligen Milliardenbetrag“pro Jahr an Kosten, die der Steuerzahler tragen soll.