Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kirchenreformer treffen weiter auf starre Verweigerer
Echte Gewaltenteilung in der katholischen Kirche, die Öffnung des Weiheamtes für Frauen, ein „Neustart mit der Sexualmoral“einschließlich einer verständigen und gerechten Bewertung von Homosexualität sowie die freie Wahl der Lebensform von Diözesanpriestern: Mit einem ganzen Forderungskatalog haben sich am Wochenende neun namhafte deutsche Theologen an den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, den Münchner Kardinal Reinhard Marx gewandt.
Mit Blick auf die für Ende Februar geplante Vatikan-Konferenz über Missbrauch in der katholischen Kirche dürfte Marx in den kommenden Tagen öfter Post von sehr ernst zu nehmenden Kirchenleute wie dem Jesuitenpater Klaus Mertes bekommen, der 2010 als Rektor am Berliner Canisius-Kolleg erstmals systematisch Missbrauchsfälle öffentlich machte und damit den wohl größten Skandal der katholischen Kirche weltweit ins Rollen brachte. Neben Mertes und sieben weiteren Persönlichkeiten hat auch der Frankfurter Dekan Johannes zu Eltz den Brief unterschrieben. Er war als Kritiker des früheren Limburger Bischofs Tebartz-van Elst hervorgetreten.
Die Theologen schreiben in für die katholische Kirche bitteren Zeiten: Fast wöchentlich kommen neue Fälle ans Tageslicht. Im Erzbistum München wurde ein Diakon zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Und auch im Vatikan steht ein Sekretär der Glaubenskongregation, ein österreichischer Pater, unter Verdacht. Er trat zurück, bestreitet die Vorwürfe aber.
Nicht nur in der zweiten Reihe der Kirchenführung macht sich Unbehagen breit, dass der „wichtigste Ertrag“der von den deutschen Bischöfen beauftragten Missbrauchsstudie unter den Tisch fällt: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemische Gründe.“In der Studie hieß es, die Aussicht auf Macht in Männerbünden ziehe Menschen aus Risikogruppen an. Sexuelle Tabus blockierten notwendige Klärungsund Reifungsprozesse.
Im kleinen Kreis äußern auch Diözesanbischöfe ihre Befürchtung, diese Erkenntnis werde verharmlost. Der Regensburger Bischof Voderholzer beispielsweise dürfte für seinen strikt konservativen Kurs unter Mitbrüdern wenig Beifall finden. Am Sonntag hatte Voderholzer wieder einmal gewarnt und ohne Beweise für seine These das Wort vom Generalverdacht in den Raum gestellt: Wer einen solchen Verdacht erhebe, wolle den Missbrauch letztlich ohne Rücksicht auf Betroffene und Verdächtige instrumentalisieren, „um endlich das lange gehegte Vorhaben der Konstruktion einer anderen Kirche zu verfolgen“.
Dagegen gehen die südwestdeutschen Bischöfe einen anderen Weg: Der Freiburger Oberhirte Stephan Burger spricht mit allen Opfern, die diesen direkten Kontakt wünschen. Oder der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst: Er hatte früher als seine Kollegen mit Aufarbeitung und Prävention begonnen und für diesen Kurs nicht nur Applaus geerntet.
Mut zur Umkehr beweist auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Er fordert, dass die Kirche ihre Sicht auf Homosexualität verändert und Vorurteile überwindet.
Vor dem Bischofstreffen zum Missbrauchsskandal hat der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn die wichtigste Leitlinie definiert: Empathie für die Opfer. „Die Ehre eines Kardinals darf nie über dem Schutz der Betroffenen stehen. Das muss die Leitlinie sein“, sagte er dem „Stern“.