Schwäbische Zeitung (Biberach)
Huawei am Pranger
Chinesischer Technikkonzern im Fokus des Handelskriegs – Problem für die Telekom
BERLIN - Die Warnung klingt eindeutig. „Von Ihren Entscheidungen hängt ab, ob heimtückische fremde Mächte die Kontrolle über Ihre Kommunikationswege übernehmen“, sagte Gordon Sondland, der EU-Botschafter der USA, in Brüssel. Er warnte eindringlich davor, Ausrüstung für Mobilfunkund Datennetze bei dem chinesischen Anbieter Huawei zu bestellen. Seine Worte fielen am EU-Hauptsitz auf offene Ohren. Andrus Ansip, der Kommissar für Digitalen Binnenmarkt, hatte die Mitgliedsstaaten bereits vor Huawei gewarnt. Die deutsche Bundesregierung beschäftigt sich intensiv mit Sicherheitsfragen rund um Huawei, wie aus dem Innenministerium zu hören ist. „Die Willensbildung ist hier jedoch noch nicht abgeschlossen“, sagte ein Sprecher.
Der chinesische Technikkonzern befindet sich im Zentrum eines Handelskonflikts zwischen China, den USA und der EU. Obwohl es keinen Beleg dafür gibt, dass Huaweigeräte geheime Informationen nach Asien funken: An dem Unternehmen mit dem bekannten Markennamen entzünden sich derzeit weltweit Konflikte. Das Unternehmen ist Sinnbild für mögliche Gefahren, die eine zu große Abhängigkeit von einer kommunistisch regierten Wirtschaftsnation bringen kann. Doch der Platz zwischen den Fronten bringt die Geschäftsgrundlage des Telekom-Partners in Europa zunehmend in Gefahr.
In Deutschland ist Huawei durch Handys bekannt. Die ersten Geräte sind 2015 in größerer Zahl in die Läden gekommen und haben als Konkurrenten von Samsung und Apple Fuß gefasst. Huawei war jedoch schon vorher ein Großkonzern. Das Unternehmen hat vor allem Profikunden beliefert. Es bietet Mobilfunkantennen, Internetknoten, Glasfaser- und Unterseekabel und sonst alles an, was die Menschen mit Telefon und Daten untereinander verbindet. Rund ein Drittel der weltweiten Internetverbindungen laufen über Geräte des Unternehmens, das rund 80 Milliarden Euro Umsatz macht, so viel wie Siemens.
Huawei ist weder Staatsbetrieb noch Aktiengesellschaft. Als Genossenschaft organisiert, gehören die Firmenanteile offiziell den Mitarbeitern. Gründer Ren Zhengfei hatte 1987 angefangen, einfache Schaltanlagen für Telefonanlagen anzubieten. Er hatte dabei Rückenwind durch die Modernisierung Chinas. Nach der Jahrtausendwende versorgte das Unternehmen große Teile Afrikas und halb Indien mit Mobilfunkverbindungen. Während das Unternehmen anfangs vor allem nachgebaute Geräte verkauft hat, gehört es heute zu den Innovationsführern.
Für Huawei arbeiten rund 80 000 Ingenieure an Standorten in China, Japan und Europa, die ihre Erfindungen ihrerseits mit Zehntausenden von Patenten schützen.
Huawei ist für schnelle und zuverlässige Lieferung von guten Produkten zu günstigen Preisen bekannt – und gehört damit zu den wichtigsten Technikpartnern der Deutschen Telekom. In einigen Segmenten prangt das Huawei-Logo auf der Hälfte ihrer Ausrüstung, darunter Mobilfunkmasten. Trotz der internationalen Warnungen möchte die Telekom an der Geschäftsbeziehung festhalten. Statt eines pauschalen Banns schlägt sie eine Prüfung der Apparate und Software vor. Wenn das schnelle Handynetz der fünften Generation rechtzeitig fertig werden soll, brauchen wir Huawei, warnen Telekom-Manager.
Spekulationen und Beweise
Objektiv gesehen liegen sie damit richtig: Es gibt derzeit keinen Beweis, dass Huaweigeräte Nutzer ausgespäht haben. Umgekehrt bedeutet das jedoch nicht, dass das nicht vorkommt: Das Anlegen von Hintertüren in Netzwerkausrüstung ist gängige Praxis der Geheimdienste. Die Platine eines durchschnittlichen Netzrechners enthält rund drei Dutzend der eckigen, blaugrauen Bauelemente. Für Spione ist es vergleichsweise leicht, ein zusätzliches Teil dazwischenzumogeln.
Seit den Enthüllungen des Informanten Edward Snowden ist bekannt: Der amerikanische Geheimdienst
NSA baut Abhörchips in Router der US-Marke Cisco ein. Dafür gibt es eigene Werkstätten, in denen Spezialisten den Eingriff mit modernsten Werkzeugen praktisch spurlos erledigen. Fotos so einer Werkstatt aus dem Jahr 2010 belegen, wie lange diese Praxis schon läuft. „Abfangoperationen in der Lieferkette gehören zu den wirksamsten Instrumenten der maßgeschneiderten Zugangsoperationen“, heißt es in Snowdens Enthüllungsbuch.
Vielleicht sind die Amerikaner so misstrauisch, weil sie am besten wissen, wie nützlich Hintertüren sind. „Chinesische Unternehmen sind verpflichtet, mit Geheimdiensten zusammenzuarbeiten“, warnt US-Botschafter Sondland. Doch auch der reiche Hotelier, den Trump als Botschafter nach Brüssel geschickt hat, liefert keine Anhaltspunkte für Spionage. Aus den Enthüllungen Snowdens ist dagegen bekannt, dass US-Geheimdienste vor Jahren in die Systeme von Huawei eingedrungen sind, um Belege für Missetaten zu finden – vergeblich.
China nimmt die Pose des zu Unrecht Beschuldigten ein – dabei gehen tatsächlich fast täglich Hackerangriffe von staatlichen Stellen des Landes aus. Anfang Dezember ist der Konflikt um Huawei zu einem internationalen Zwischenfall eskaliert. Kanada hatte die Tochter des Firmengründers, Meng Wanzhou, festgesetzt. Die 46Jährige ist Finanzchefin des Unternehmens. Die USA hatten einen Auslieferungsantrag gestellt, den Kanada
prüft. China wirft beiden Ländern nun einen politischen Missbrauch der Justiz vor. Kanada verhält sich bei der Prüfung des Falls jedoch eindeutig rechtsstaatlich.
Der Zeitpunkt der US-Anklagen gegen die 46-jährige Meng ist dagegen verdächtig. Donald Trump hat die Justiz schon mehrfach gegen Firmen in Stellung gebracht, die ihn verärgert hatten, darunter Amazon, Time Warner oder General Motors. Die Vorwürfe gegen Meng sind sorgfältig begründet, doch sie haben eine politische Anmutung. So soll Meng falsche Angaben über eine Tochtergesellschaft gemacht haben, die wiederum Geschäfte mit Iran macht. In China ist der Iran-Handel legal, nach neuen USSanktionen ist er illegal. Außerdem werfen die US-Justizbehörden dem Unternehmen vor, geistiges Eigentum und einen kleinen Roboterarm von TMobile gestohlen zu haben – allerdings schon im Jahr 2013.
Die Anekdote von dem Huawei-Ingenieur, der die Räume der TelekomTochter besucht hat, geistert seit Jahren durch die Technik-Welt. Der Mann konnte demnach nicht widerstehen und wollte ein Teil von „Tappy“mitgehen lassen, einem Roboter, der die Funktionen von Handys testen kann. Dass diese einstmals durchaus typische Interaktion mit einem chinesischen Unternehmen zur Verhaftung der Finanzchefin des Unternehmens und zu einem internationalen Zwischenfall führen würde, hätte bis jetzt niemand gedacht.