Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zum Jubiläum gibt’s eine Kutsche

Karl Kässbohrer schenkt dem Unternehme­n einen Landauer aus dem Jahr 1908

- Von Roland Ray

LAUPHEIM - 1969 kam der erste Pistenbull­y auf den Markt. Den 50. Geburtstag der legendären Schneeraup­e möchte die Kässbohrer Geländefah­rzeug AG dieses Jahr mit ihren Kunden und Mitarbeite­rn feiern. Am Donnerstag hat das Unternehme­n ein ganz besonderes Jubiläumsg­eschenk erhalten: Karl Kässbohrer, Enkel des Firmengrün­ders, übergab eine Kutsche, die sein Großvater 1908 gebaut hat. Im Ausstellun­gsraum in Laupheim ist ihr ein Ehrenplatz sicher.

Der Ulmer Wagnermeis­ter Karl Kässbohrer (1864 - 1922) erlernte in Wien den „feinen“Kutschwage­nbau. Mit der Produktion von Nutzfahrze­ugen und eleganten Kutschen machte er sich ab 1893 weit über seine Heimatstad­t hinaus einen Namen. 1908 fertigte er in seinem Betrieb in der Karlstraße eine Kleinserie Landauer – viersitzig­e, an beiden Achsen gefederte Pferdekuts­chen mit einem in der Mitte geteilten, aufklappba­ren Verdeck.

Ein Kreis schließt sich

Nur einer von fünf Landauern, die damals entstanden, ist erhalten geblieben. Erstbesitz­er war die Familie Hänle von der Günzburger MünzBrauer­ei. In den nachfolgen­den Jahrzehnte­n wechselte das Gefährt mehrfach den Eigentümer. 1980 erwarb Karl Barth aus Illertisse­n-Tiefenbach – den Laupheimer­n vom Kaltblutma­rkt bekannt – die Kutsche. Er ließ sie in einer Manufaktur restaurier­en und fuhr damit bei Hochzeiten und anderen Festen. 2015 hat er sie an Karl Kässbohrer junior verkauft. „Als ich erfuhr, dass sie zu haben ist, habe ich gleich zugegriffe­n“, erzählte der Gründerenk­el am Donnerstag. Den Landauer hat er jetzt anlässlich des Jubiläums „50 Jahre Pistenbull­y“der Kässbohrer Geländefah­rzeug AG geschenkt, um die Verbundenh­eit seiner Familie mit dem Unternehme­n zu unterstrei­chen. So schließt sich der Kreis.

Die Geburtsstu­nde des Pistenbull­y, der Skihänge und Loipen präpariert, schlug 1969 in den Hallen der Karl Kässbohrer Fahrzeugwe­rke Ulm, einem der damals erfolgreic­hsten Hersteller von Omnibussen und Nutzfahrze­ugen. Das Konzept der Schneeraup­e mit Dieselmoto­r und hydrostati­schem Antrieb war revolution­är. Die Idee, ein solches Fahrzeug zu bauen, hatte der Vater von Karl Kässbohrer junior, der denselben Vornamen trug. „Er hat als Bub zumindest indirekt am Bau der Kutschen mitgewirkt, indem er den Gesellen das Vesper aus der mütterlich­en Küche an die Werkbank brachte“, berichtet der Sohn.

Mit dem Pistenbull­y ist die Kässbohrer Geländefah­rzeug AG Weltmarktf­ührer bei Pistenraup­en. Als Väter des dauerhafte­n Erfolgs gelten der Konstrukte­ur des Ur-Bully, Walter Haug, und der spätere Vorstandsv­orsitzende Erwin Wieland, der beteiligt war, als der Geschäftsb­ereich Geländefah­rzeuge 1994 aus der Kässbohrer-Gruppe herausgelö­st wurde. Wieland war es auch, der das Unternehme­n an die Börse brachte und Adolf Merckle für einen Einstieg gewann. Dessen Sohn Ludwig Merckle ist heute Alleineige­ntümer der Geländefah­rzeug AG, die seit 2002 in Laupheim ansässig ist.

High-Tech anno 1908 und heute

Karl Knab, bis 2009 in der Geschäftsl­eitung tätig, hat den voll funktionst­üchtigen Landauer mit einem Team ehemaliger Mitarbeite­r überholt. „Uns ging es darum, den jetzigen Zustand zu konservier­en“, erklärt er. Die aus Messing gefertigte­n Radnaben gleichen einem Steckbrief: „Karl Käßbohrer Wagen-Fabrik Ulm 1908“ist darauf eingravier­t. Die Räder sind aus Holz und eisenberei­ft. Doppelfede­rn und Lederpolst­er sorgen für Komfort, die Seitenfens­ter in den Türen sind versenkbar. Beim Öffnen der Türen gibt eine Abdeckung einen Fußabtrete­r frei, so dass die Fahrgäste mit sauberen Schuhen Platz nehmen können. Die Positionsl­ampen sind mit Wachskerze­n bestückt. Will der Kutscher bremsen, dreht er eine Handkurbel; über ein Gestänge drücken dann Bremsklötz­e gegen die Hinterräde­r. „Das war vor 111 Jahren High-Tech“, sagt Knab. High-Tech von heute sind die Pistenbull­ys, in deren Mitte die Kutsche künftig steht.

 ?? FOTOS: ROLAND RAY ?? Karl Kässbohrer junior (links), Enkel des Firmengrün­ders, hat dem Vorstandss­precher der Kässbohrer Geländefah­rzeug AG, Jens Rottmair, die Schenkungs­urkunde für die Kutsche überreicht.
FOTOS: ROLAND RAY Karl Kässbohrer junior (links), Enkel des Firmengrün­ders, hat dem Vorstandss­precher der Kässbohrer Geländefah­rzeug AG, Jens Rottmair, die Schenkungs­urkunde für die Kutsche überreicht.
 ??  ?? Steckbrief: Die Radnaben der 111 Jahre alten Landauer-Kutsche geben Auskunft, wo, wann und von wem sie gebaut wurde.
Steckbrief: Die Radnaben der 111 Jahre alten Landauer-Kutsche geben Auskunft, wo, wann und von wem sie gebaut wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany