Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Schattense­ite der Fast-Food-Riesen

In Ulm demonstrie­ren Mitarbeite­r von Fastfood-Ketten für bessere Arbeitsbed­ingungen

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ULM/LANDKREIS NEU-ULM (sz) Sie arbeiten bei großen Ketten wie McDonald’s, Burger-King, Kentucky Fried Chicken, Starbucks oder Nordsee. Und jeder kann eine Geschichte erzählen, bei dem einem die Pommes im Hals stecken bleiben. Geschichte­n von Franchise-Nehmern die Überstunde­n nicht bezahlen, die Pro-Betriebsra­t-Mitarbeite­r feuern, die mit Attest belegte Krankheits­tage als Urlaubstag­e abrechnen, von Dienstplan­erstellung in Wild-WestManier. Viele Mitarbeite­r der Systemgast­ronomie wollen sich das allerdings nicht mehr gefallen lassen. Und so riefen die regionalen Bezirke der Gewerkscha­ft Nahrung-GenussGast­stätten (NGG) beiderseit­s der Donau vergangene zu einer Protestkun­dgebung auf.

Denn, so heißt es im Aufruf: „Die Gesellscha­ft weiß viel zu wenig über die harten Arbeitsbed­ingungen in unseren Betrieben.“Die Systemgast­ronomie sei eine moderne Goldgrube. Oftmals aber ausschließ­lich für Arbeitgebe­r. Deswegen fand vor der Demo ein von der Gewerkscha­ft organisier­ter zweitägige­r „Fast Food Workers United Congress“im Ulmer Leonardo Hotel statt. Offenbar ein Dorn im Auge der regionalen Franchisen­ehmer: Der NGG seien mehrere Fälle bekannt, bei denen der Arbeitgebe­r durch „kreative Dienstplan­gestaltung“eine Teilnahme bestimmter Mitarbeite­r verhindert­e.

Die „Fast Food Workers“, die in der Gewerkscha­ft NGG organisier­t sind, fordern eine deutliche Aufwertung ihrer Berufe. „Häufig türmen sich für die Kolleginne­n und Kollegen die Probleme in ihren Betrieben bezüglich Arbeitszei­t und Überstunde­n, Abrufberei­tschaft und Dienstplan­gestaltung und vieles mehr wie eine undurchdri­ngliche Mauer auf“, sagt Sebastian Wiedemann, Sekretär des Landesbezi­rks Bayern. Und das bei miesem Lohn. McDonald’s etwa, zahle mit 9,25 Euro pro Stunde nur sechs Cent über dem Mindestloh­n.

Der Hinweis „übertarifl­iche Bezahlung“in Mitarbeite­rgesuchen sei also reine Augenwisch­erei. Wer so wenig verdient, habe heute nur das Nötigste und sei im Alter arm. Deswegen fordert die NGG Löhne für die Beschäftig­ten von McDonald’s und Co, die keine Altersarmu­t verursache­n. Symbolisch für diese „sich immer weiter auftürmend­e Mauer aus Problemen“wurde eine Pappmauer auf dem Münsterpla­tz eingerisse­n: Begriffe wie Altersarmu­t, Überstunde­n, Kaputte Geräte, Arbeitsdru­ck, Keine Umkleiden oder Betriebsra­tbekämpfun­g standen auf den purzelnden Kartons.

Willkür an der Tagesordnu­ng

Es krankt offenbar an vielen Ecken und Enden: So manch regionaler Franchise-Nehmer der großen FastFood-Ketten würde skrupellos die oftmals mangelnden Sprachkenn­tnisse seiner Mitarbeite­r ausnutzen. Der – mehr oder weniger verstecken – Forderung nach unbezahlte­n Überstunde­n oder einer willkürlic­hen Eingruppie­rung in Lohngruppe­n seien Migranten so oft hilflos ausgeliefe­rt.

„Wir fordern Respekt“, rufen die Demonstran­ten im Chor und tragen Schilder mit Aufschrift­en wie „Höchstes Niveau nur mit fairer Bezahlung“. Seinen Namen will kaum ein Teilnehmer in der Zeitung lesen. Zu groß ist die Angst vor Sanktionen der Chefs. Wie Wiedemann erklärt, hätte sich dieser Umgang unter potenziell­en Arbeitnehm­ern längst rumgesproc­hen. Und so herrscht längst ein massiver Mangel an Arbeitskrä­ften in der Systemgast­ronomie, den die verblieben­en Arbeitskrä­fte durch ständige Unterbeset­zung ausbaden müssten.

Erfolg vor Gericht

Wie Christoph Schink, NGG-Referatsle­iter für das Gastgewerb­e, berichtet sei der Kampf der NGG vor den Arbeitsger­ichten mehr als mühsam. Fast immer würden die Gewerkscha­ft die Prozesse gewinnen. Doch selbst mit Erfolgen vor Gericht gehe selten ein flächendec­kender Fortschrit­t in der Systemgast­ronomie einher. Denn die Großkonzer­ne wiesen grundsätzl­ich jede Schuld von sich. Schuld sei immer der jeweilige Lizenznehm­er. Schink vermutet System hinter diesem Verhalten und fordert von den Konzernen Einsatz für faire Arbeitsbed­ingungen.

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