Schwäbische Zeitung (Biberach)
666 Meilen: Zu Fuß nach Wacken
Ersinger wandert zum legendären Musik-Festival - Nicht die erste spektakuläre Wanderung
ERSINGEN - Auf dem gefährlichsten Schulweg der Welt im Himalaya war er zu Fuß unterwegs. Den sechsthöchsten Berg der Welt hat er erklommen und von der Schwäbischen Alb ist er mal über 1000 Kilometer weit bis ins schleswig-holsteinische Wacken gewandert – zum legendären Heavy-Metal-Festival. Gerhard Gerster aus Ersingen hat schon „das ein oder andere Abenteuer erlebt“, sagt er und blättert – während er von seinen Erlebnissen berichtet – durch das Buch seines Freundes und Wanderkumpanen Jimmy Müller. „Wir sind seit zwanzig Jahren miteinander unterwegs, waren in Nepal, beim Baikalsee und in Tadschikistan“, erklärt der 64-Jährige.
„Wenn eine Tour funktioniert, dann sucht man die Steigerung“, so beschreibt er die wachsende Leidenschaft und gleichzeitige Suche nach dem nächsten Abenteuer. Auf eine schier endlose Liste an spektakulären Wanderungen blickt er zurück, viele davon sind in nunmehr zwei Büchern festgehalten. Besonders in Erinnerung bleibt ihm aber die Tour, die mitten durch Deutschland führte.
Von der Schwäbischen Alb nach Norddeutschland
Dieses eine von vielen Abenteuern beginnt für Gerhard Gerster mit zwei Versprechen. Wenn sein Freund Jimmy Müller aus Reutlingen zur nächsten größeren Wanderung aufbricht, dann ist er selbstredend dabei. „Doch dieses Mal ging es nicht in die Höhe, sondern auf Strecke“, sagt er. Das zweite Versprechen leistete wiederum Müller seinem Sohn: „Wenn du mit deiner Band einmal in Wacken auftreten wirst, werde ich von Buttenhausen aus hinpilgern.“
Buttenhausen ist ein Stadtteil Münsingens (Landkreis Reutlingen) und liegt 1072 Kilometer vom legendären Heavy-Metal-Festival in Deutschlands Norden entfernt. Das entspricht ausgerechnet 666 Meilen, also jener symbolischen Zahl, der im Okkultismus eine große Bedeutung zugeschrieben wird und die viele Metal-Bands in Liedern, Album-Covern und T-Shirts verewigt haben. „Ich mag die Musik, aber ich höre sie mir nicht jeden Tag ständig an“, sagt
Gerster und lacht. Für ihn sei im wahrsten Sinne des Wortes der Weg das Ziel. Im Juli 2017 war es dann soweit:
Gerhard Gerster, Jimmy Müller sowie Frank Schmid aus Kirchen und der Ehinger Christian Ströbele machten sich auf den Weg, das Versprechen des Vaters an seinen Sohn einzulösen. Drei Wochen, jeden Tag 50 Kilometer und „Unmengen Bier“. Das Ziel: Wacken, insbesondere der Auftritt von Müllers Sohn Jim und dessen Band „Kissin’ Dynamite“.
„Schon immer war es ein Traum von mir, Deutschland von Süden nach Norden zu durchwandern“, sagt Gerster, der für die Planung der Tour zuständig war. „50 Kilometer haben keine Fehler zugelassen“, erklärt er. Deshalb habe er sehr exakt geplant und die Clique nahm drei GPS-Geräte mit. Die Streckenführung legte er so fest, dass möglichst wenige Kilometer auf Straßen verliefen sowie Start und Ziel der Tagesetappe jeweils in einer Ortschaft lag.
Übernachtet wurde in Hühnerund Pferdeställen, in Schutzhütten und „wo es die Möglichkeit gab“. Am meisten beeindruckt war Gerster nicht nur von der unterschiedlichen Landschaft, die Deutschland bereithält, sondern vor allem von der Hilfsbereitschaft der Menschen, die sie auf ihrem Weg getroffen hatten. „Es waren sehr, sehr viele gute Überraschungen und nur ganz wenig schlechte Erfahrungen dabei“, berichtet er.
Denkwürdige Begegnungen, viel Hilfsbereitschaft
Wer sich für die Erlebnisse interessiert, dem sei ein Blick in das Buch der Reise empfohlen. Darin gibt es viel zu entdecken, wie etwa der spontane Besuch auf einem 40. Geburtstag, der Ausbruch aus einer Herberge oder auch eine Begegnung an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Sogar ein drittes Versprechen hat Gerster eingelöst: „Mein Chef wollte einen Bildbeweis von uns allen auf der Bühne mit der Band.“Und das hat er nach der langen Tour dann auch tatsächlich erhalten. Dieses Jahr plant Gerster übrigens „nur“eine Alpenüberquerung.
Im Buch „666 Meilen zwischen Himmel und Hölle“von Jimmy Müller und Reiner Frenz wurde die Wanderung von der Schwäbischen Alb nach Wacken in Bild und Text festgehalten. Das Werk ist im Wiedemann Verlag erschienen.