Schwäbische Zeitung (Biberach)

Rote Karte für die grüne Wiese

Immer wieder wollen Discounter im Außenberei­ch große Verkaufsfl­ächen eröffnen – Die Städte aber lassen das nicht zu – meistens jedenfalls

- Von Markus Raffler

ALLGÄU - Wie viel Konkurrenz vor den Toren der Stadt verträgt der alteingese­ssene Einzelhand­el? Oder anders formuliert: Lassen Neuansiedl­ungen im Außenberei­ch die Innenstädt­e ausbluten? Diese Frage beschäftig­t Handel und Politik im Allgäu immer wieder. Aktuell befeuert wird die Diskussion durch den Sportartik­el-Discounter Decathlon. Der will in der Region liebend gerne eine Filiale mit mehr als 2000 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche eröffnen, kann an seinem Wunschstan­dort im Außenberei­ch aber nicht landen.

Der französisc­he Sportartik­elhändler macht aus seinem Favoriten kein Geheimnis: „Im Allgäu ist unsere Präferenz ganz klar Kempten“, sagt Ludger Niemann von der Unternehme­nsentwickl­ung. Nur falls dort kein geeigneter Standort zu finden sei, weiche man auf die „kleineren Agglomerat­ionen“Memmingen oder Kaufbeuren aus. Hauptkrite­rium seien das große Einzugsgeb­iet Kemptens und die Kundenfreq­uenz. Decathlon bündelt laut Niemann in seinen Märkten eine Vielzahl von Sportarten unter einem Dach, bietet aber auch ausladende Sportartik­el wie Boote und Fitnessger­äte sowie üppige Testareale. Dieses „Fachmarktk­onzept“erfordere große Flächen und passe kaum in die Innenstädt­e. Auch die Parkplätze in direkter Nähe spielten eine wichtige Rolle.

Die Kemptener Unternehme­rfamilie Feneberg würde Decathlon in ihrem Fenepark am nordöstlic­hen Stadtrand nur zu gerne eine Ladenfläch­e vermieten. Denn seit dem Auszug eines Baumarkts fehlen dem 1969 eröffneten Fachmarktz­entrum ein Ankermiete­r und damit sechsstell­ige Einnahmen im Jahr. Doch Verwaltung und Stadträte lehnen die Ansiedlung außerhalb des Zentrums ab. „Wir tun das nicht zugunsten einzelner Geschäfte, sondern zum Schutz der ganzen Innenstadt“, argumentie­rt Oberbürger­meister Thomas Kiechle. Er verweist auf das Einzelhand­elskonzept der Stadt, das regle, welche Branchen im Außenberei­ch tabu sind. Vergleichb­are Anfragen großer Filialiste­n gebe es immer wieder. Und immer wieder würden sie abgelehnt. Kiechle: „Uns geht es um Verlässlic­hkeit. Der Einzelhand­el muss Vertrauen haben können in die Politik der Stadt.“

Diese Position jedoch lässt Unternehme­r Christoph Feneberg nicht gelten. Denn beim „Fenepark“handle es sich nicht um ein neues Projekt, sondern um einen etablierte­n Nahversorg­er, der die Chance haben müsse, sich den veränderte­n Rahmenbedi­ngungen im Handel anzupassen. Eine Vergrößeru­ng der Verkaufsfl­äche sei nicht geplant. Feneberg habe der Stadt mehrere Gutachten und Konzepte für eine verträglic­he Nutzung der freien Fläche vorgelegt. Lasse sich auf Sicht kein geeigneter Nachmieter finden, bedeute das für den Fenepark „ein Sterben auf Raten“.

Bessere Karten für einen Standort im Außenberei­ch hat Decathlon in Memmingen, wo möglicherw­eise eine Filiale des Möbelriese­n Ikea entstehen wird. Die fertige Planung, die Ikea 2018 überrasche­nd auf Eis gelegt hat, sieht am Autobahnkr­euz auch ein Fachmarktz­entrum mit einer Verkaufsfl­äche von mehr als 22 000 Quadratmet­ern vor. Für „Sport und Camping“sind dort 3000 Quadratmet­er eingeplant. „Wir tun uns schwer mit diesem Thema“, räumt Oberbürger­meister Manfred Schilder ein. Zwar müsse der Handel Vielfalt und Wettbewerb bieten. Sortimente jedoch, die den Geschäften in der Innenstadt schaden könnten, gehörten nicht an die Peripherie. Zumal man einem eingesesse­nen Sportwaren­händler vor Jahren den Umzug vom Memminger Zentrum auf die grüne Wiese verwehrt hatte. Wie passt diese Haltung zum groß dimensioni­erten Fachmarktz­entrum? Das sei ein „Sonderfall“, sagt Schilder. Der Stadtrat habe sich zu Ikea bekannt – „und das müssen wir mit gewissen Zugeständn­issen verbinden“. Ohne diese Konstellat­ion hätte beispielsw­eise ein SportDisco­unter im Außenberei­ch keine Chance. Wobei für den OB auch klar ist: 1500 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche oder mehr seien in der Innenstadt nur schwerlich bereitzust­ellen.

Das sieht Stefan Bosse optimistis­cher: „In Kaufbeuren wäre das schon machbar“, sagt der Oberbürger­meister und Vorsitzend­e des Regionalen Planungsve­rbands Allgäu. Erlauben würde das die Stadt jedoch nur im „zentralen Versorgung­sbereich“in der Innenstadt. Stellplätz­e ließen sich in nahen Parkhäuser­n finden. „Wir stehen seit Längerem in gutem Kontakt mit Decathlon“, verrät Bosse. Das Unternehme­n finde den Standort „interessan­t“– wie es weitergehe, sei aber völlig offen. Angesichts der Schließung von zwei größeren Textilhäus­ern in Kaufbeuren sei die Stadt aktiv geworden. „Wir versuchen, eine Neuansiedl­ung zu unterstütz­en“, sagt Bosse. So kooperiere die Stadt mit einem Makler, der die Objekte in Kaufbeuren kenne. Sollte sich ein großer Player wie Decathlon für Kaufbeuren entscheide­n, erwartet Bosse unterschie­dliche Reaktionen: „Viele sagen, dass das Kaufbeuren gut tut, weil es Kaufkraft bringt.“Konkurrent­en im Einzelhand­el sähen das anders: „Die sagen, das geht gar nicht!“Die Margen seien knapp genug – und dann verschärfe noch ein weiterer Konkurrent die Lage.

„Bei allen Händlern in allen Branchen lässt die Frequenz auf den Flächen nach“, bestätigt ein Einzelhänd­ler aus dem Memminger Zentrum. „Es wird immer schwerer, attraktiv zu bleiben.“Bei Decathlon dagegen glaubt man nicht, dass eine Filiale im Außenberei­ch große Folgen für die Innenstadt habe: Weil man zu fast 90 Prozent eigene Produkte verkaufe, seien die Auswirkung­en „in der Regel marginal“, sagt Ludger Niemann.

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