Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Die Familie ist der größte Pflegedienst“
CDA-Veranstaltungen zu den Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Sozialsysteme
BIBERACH (sz) - Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) im Bezirk Württemberg-Hohenzollern in Biberach hat sich in einer Veranstaltung mit den Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Sozialsysteme auseinandergesetzt.
Thaddäus Kunzmann, Demografiebeauftragter des Landes, wies darauf hin, dass das prognostizierte Bevölkerungswachstum in Baden-Württemberg stark von der Zuwanderung abhänge: „Denn auch, wenn die Quote der Kinder pro Frau hier mit 1,57 überdurchschnittlich in den vergangenen Jahren gestiegen ist, wird diese Quote allein nicht ausreichen, um die Bevölkerung stabil zu halten.“Aber gerade in Baden-Württemberg zeige sich ein großer Fachkräftemangel. Die Erwerbstätigenquote liege wie in ganz Deutschland bei etwa 80 Prozent, nur in Schweden sei sie noch höher. Das schaffe einige Handlungsfelder, erläuterte Kunzmann. So betreffe der Wohnungsmangel auch den ländlichen Raum, da für Familien mit Kindern eher die Landgemeinde attraktiv sei. Jedoch erlebe die Baubranche einen Fachkräftemangel. Ein weiteres, sich daraus teils ergebendes Thema ist die Mobilität. Die öffentlichen Verkehrsmittel müssten besser ausgebaut und altengerechter werden. Zudem sollten in den Handlungsfeldern „Nachbarschaft, ehrenamtliches Engagement“die Fördermaßnahmen gebündelt werden, um sie zielgerichteter einzusetzen. Dann bedürfe es unbedingt einer flächendeckenden Breitbandversorgung. Die weiteren Handlungsfelder seien Gesundheit, Prävention und Pflegebedürftigkeit. Wenn nur alle über 65 einen Monat später auf Pflege angewiesen wären, ersparte es den Sozialkassen 50 Millionen Euro, rechnete Kunzmann.
Marlene Gegenbauer, Regionaldirektorin des Regionalzentrums Ravensburg der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV), gab einen Überblick über die gesetzliche Rente. Der Jahresetat der DRV liege mit knapp 300 Milliarden Euro fast so hoch wie der Bundeshaushalt, das Sozialbudget in Deutschland liege bei etwa 1000 Milliarden Euro. Das Rentenniveau sei von gut 57 Prozent im Jahr 1980 auf derzeit etwa 48 Prozent jeweils vor Steuern gesunken. Das liege aber vor allem daran, dass die Löhne und Gehälter in Deutschland hoch seien, denn das Rentenniveau gebe nur das Verhältnis der Durchschnittsrente zum Durchschnittslohn wieder.
Zum Handlungsfeld „Pflege“berichtet Winfried Plötze, Landesgeschäftsführer Barmer Baden-Württemberg aus dem Pflegereport der Versicherung. „Wenn wir vom Pflegenotstand sprechen, dann dürfen wir nicht nur an die Fachkräfte denken. Die Familie ist der größte Pflegedienst. In Baden-Württemberg werden die meisten Pflegebedürftigen daheim versorgt und laut unserer Hochrechnung sind 21 800 Pflegende kurz davor, diesen Dienst einzustellen. Wenn diese Säule wegbricht, dann kollabiert das System. Es ist wichtig, dass pflegende Angehörige auch sich selbst pflegen und Hilfe bekommen“, sagte Winfried Plötze.