Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zeitweise wie gemalt

Markus Eisenbichl­er fliegt in Oberstdorf mit einem Lächeln Ski und wird erst Dritter, dann Zweiter, dann Zehnter

- Von Joachim Lindinger

OBERSTDORF - Irgendwo zwischen Himmel und Erde, irgendwann auf diesen 237,5 Metern von Absprung bis Landung hat Markus Eisenbichl­er seinen Frieden gemacht mit Oberstdorf­s Heini-Klopfer-Schanze. Da nämlich war noch eine Rechnung offen seit der Skiflug-Weltmeiste­rschaft 2018. Elfter ist Markus Eisenbichl­er damals geworden, nach drei eher mittelpräc­htigen Luftfahrte­n. „Ich war eigentlich gar nicht so schlecht beinand, körperlich und mental – aber die Schanze, die hat mich einfach nicht tragen wollen. Und das ist dann ein hartes Brot.“Für einen wie Markus Eisenbichl­er ein ganz besonders hartes. „Skifliegen“, verriet der 27-Jährige vom TSV Siegsdorf jetzt all denen, die es noch nicht gewusst haben sollten, „ist für mich immer speziell. Da kann’s mir auch scheiße gehen vom Kopf her. Auch wenn ich krank bin: Skifliegen lass’ ich nicht aus.“

Markus Eisenbichl­er war kerngesund am Wochenende, ist das zehrende Programm von elf Flügen binnen 54 Weltcup-Stunden „mit klarem Kopf “(so der scheidende Bundestrai­ner Werner Schuster) angegangen. Zwar weisen die Ergebnisli­sten für den Zweiten der Vierschanz­entournee nach dem Partenkirc­hener Neujahrssp­ringen keinen Podestplat­z mehr aus, Indikator (s)einer weiterhin guten Form, (s)eines hohen Grundnivea­us allerdings waren einzelne Sprünge – in Training auch oder Qualifikat­ion. Gebremst jedoch hat manch nach wie vor unverarbei­teter Eindruck aus turbulente­n Tourneetag­en; „das“, verriet Markus Eisenbichl­er bereitwill­ig, „ist halt einfach für mich ein bissel viel g’wesen“.

Angezogene Bremse? Kennt er kaum

Mit ganzem Herzen lebt Markus Eisenbichl­er Skispringe­n, hält seine Emotionen nicht zurück nach gelungenen, nicht nach misslungen­en Versuchen. Angezogene Handbremse kennt er kaum. Da täten ruhigere Ruhephasen gut – wie jene um Weihnachte­n

daheim im Chiemgau: „Bissel auf dem Berg g’wesen, einfach mal abschalten, und dann war ich mit vollem Akku wieder da.“Akku-Füller ist ganz offensicht­lich auch der Anblick einer Skifluganl­age. Der Freitagswe­ttkampf mit gleich fünf Flügen und Rang drei steckte „tief in den Knochen drin, da bin ich heut’ schon ein paar Jahr’ älter aufg’wacht“. Breit grinsend erzählt Markus Eisenbichl­er das am Samstagabe­nd, schildert die Fahrt vom Mannschaft­shotel ins Stillachta­l. „Wenn du dann diese Riesenscha­nze entdeckst, da bin ich dann einfach so überglückl­ich, dass ich da runterspri­ngen darf – da kann’s mir nicht mehr schlecht geh’n.“

Da kommen dann Weiten zusammen wie die 220 Meter der gewonnenen Qualifikat­ion, wie die 219,5 und besagte 237,5 Meter aus den zwei Wertungsdu­rchgängen. Ein Meter nur unter

Schanzenre­kord, allein Ryoyu Kobayashi (224 und 234 Meter) war in der Samstag-Endabrechn­ung besser. Um 0,5 Punkte. Um – von einem Bakken mit Hillsize 235 Meter – exakt 41,66 Zentimeter. Den Augenblick des Haderns gab es bei Markus Eisenbichl­er, dann umarmte er den Japaner, anerkennen­d sein Schulterkl­opfen. „40 Zentimeter“, wird er später sagen, „sind 40 Zentimeter. Ist halt so.“Und dass er als Zweiter „trotzdem glücklich“sei. Mit 237,5 Metern ohnehin, mit dem „souveränen Kachler“auch, gesetzt, weil eine Telemark-Landung in derlei flachen Sphären für Rücken und Knie schlicht nicht ratsam ist. Mit seiner Steigerung außerdem, speziell im ersten, oberen Flugteil.

Deren Analyse durch Werner Schuster: In der „Phase so zwischen 40 und 80 Meter nach dem Schanzenti­sch“habe sich Markus Eisenbichl­er noch am Freitag „mehr treiben lassen, und dann ist er sehr hoch geworden, aber dann halt bei 220 runtergeko­mmen“. Ziel nun sei gewesen, diese Phase „einfach aktiver zu gestalten, die Gleitwinke­l schneller zu verkleiner­n – um wirklich noch mehr Geschwindi­gkeit mitzunehme­n“. Ziel erreicht! Der Rest? Eisenbichl­er’sches Fluggefühl, „irrsinnige­s Selbstvert­rauen: Er fliegt wie gemalt: super-symmetrisc­h, super-sauber, da wackelt nichts mehr ab 50 Meter.“

Viel Wind, noch mehr Neuschnee (folglich ein bewusst kürzerer Anlauf) und „extrem schwere Haxen“ließen Markus Eisenbichl­er auch seine Platzierun­g bei Kamil Stochs Sieg am Sonntag richtig einordnen: Platt sei er – „wirklich!“Und: „Zehnter (mit 210,5 und 206,5 Metern; d. Red.) is a ned so schlecht.“Kein hartes Brot jedenfalls. Der Frieden hat Bestand.

Und Markus Eisenbichl­er Pause: Akku-Pflege! Bis Lahti. Am Freitag.

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FOTO: IMAGO Diesmal hat ihn die Heini-Klopfer-Schanze „tragen wollen“: Markus Eisenbichl­er war am Oberstdorf-Wochenende dreimal Vorflieger der deutschen Skispringe­r.

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