Schwäbische Zeitung (Biberach)
Emotionale Schlagabtäusche sind Gift
Leverkusen deckt beim 3:1 Bayern Münchens immer gleiche Schwächen auf
LEVERKUSEN - Die Chance war da, es roch nach noch mehr Spannung im Meisterkampf. 1:0 führte Bayern München zur Pause in Leverkusen – verdient, weil dominant und überlegen. Nur noch vier Pünktchen Rückstand auf Spitzenreiter Borussia Dortmund, das in Frankfurt den 1:1Ausgleich kassiert hatte. Inklusive Halbzeit durften die Bayern rund eine halbe Stunde träumen. Bis Leon Baileys Freistoß zum 1:1. Der Ausgleich, der Anfang der Wende. Der Marktoberdorfer Kevin Volland, einst bei 1860 München ausgebildet, schloss bald einen schnell, für die Bayern viel zu schnell, vorgetragenen Leverkusener Angriff zum 2:1 ab, Lucas Alario traf noch kurz vor Schluss. 1:3 am Ende aus Münchner Sicht, macht nun sieben Punkte Rückstand auf den BVB.
Ein gebrauchter Tag für die Münchner.
„Eine vergebene Chance“, sagte 1:0-Torschütze Leon Goretzka, „ich bin sehr frustriert.“Die Verantwortlichen flüchteten sich in Floskeln. „Hier hätten wir mehr mitnehmen müssen. Wir müssen in der ersten Halbzeit den Sack zumachen“, sagte Trainer Niko Kovac. „Wir haben uns den Schneid abkaufen lassen“, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic.
Stimmt beides. Darf aber beides nicht passieren. „Wir sind unter Druck gekommen, Leverkusen hat aus vier Chancen drei Tore gemacht“, beklagte Salihamidzic mit zusammengekniffenen Lippen. Das nennt man Effizienz. Und Cleverness.
23 Gegentore nach 20 Spielen
Beides fehlte den Bayern bei ihrer vierten Saisonniederlage – so viele waren es in der kompletten vergangenen Spielzeit. Schlimmer aus Münchner Sicht: Der Bruch im Spiel. Man verlor wieder mal den Faden und wieder mal die Kontrolle über ein (fast schon) abgehakt geglaubtes Spiel. Man war dem Tempofußball der Leverkusener, dem Power-Umschaltspiel nicht gewachsen. „Kompakt! Kompakt!“, brüllte Kovac nach den Gegentreffern frustriert Richtung Der Marktoberdorfer Kevin Volland jubelt über seinen Treffer zum 2:1 gegen München.
Trainerbank. Die fehlende Schärfe und Zuordnung in den Zweikämpfen war Thema in seiner Kabinenanalyse tags darauf im verschneiten München. Denn, so Kovac: „Wir müssen den Laden dichtkriegen. Meisterschaften werden hinten entschieden.“23 Gegentore nach 20 Spieltagen kassierte Bayern zuletzt vor acht Jahren unter Louis van Gaal.
„In der zweiten Halbzeit nimmt das Spiel Fahrt auf. Das wollten wir vermeiden“, haderte Kovac. Klingt komisch, ist aber so. Ein emotionaler Schlagabtausch ist Gift für diese Bayern-Mannschaft. Könnte lustig werden im Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Liverpool, gegen Jürgen Klopps Powertruppe, die leidenschaftlichen Umschaltfußball spielt – in höchstem Tempo.
Den Rückschlag in der Liga nach zuletzt sieben gewonnenen Partien in Serie wollten Kovac & Salihamidzic kleinreden. „Es ist nicht viel passiert. Es sind ja noch 14 Spiele, noch 42 Punkte im Topf“, sagte der Sportdirektor.
„Das einzig Positive ist, dass Dortmund nicht drei Punkte geholt hat.“, meinte Kovac und sagte fast analog zu seinem Kumpel und Vorgesetzen: „Es ist jetzt nicht allzu viel passiert, bei neun Punkten wäre es sicherlich sehr schwierig geworden.“Nicht viel passiert ... Ansichtssache.
Denn nach dem 2:0 auf Schalke ist Borussia Mönchengladbach an Bayern vorbeigezogen – dank der Tordifferenz Zweiter. Für Rekordnationalspieler Lothar Matthäus ist Gladbach nun „Dortmund-Jäger Nummer 1“, wie er bei Sky sagte. Bayerns Ex-Kapitän glaubt nun an einen Dreikampf um den Titel: „Gladbach hat keinen Pokal mehr, keinen Europapokal. Zu Hause sind sie natürlich eine Macht (neun Siege in neun Heimspielen, d.Red.).“Und: „Sie haben die Dortmunder noch zu Hause, sie haben die Bayern zu Hause.“
Kovac’ Kampfansage lautet: „Wir müssen zusehen, dass wir eine neue Serie starten. Wir glauben dran und geben nicht auf.“Aber: Sieben Punkte
Rückstand nach 20 Spielen wurden in der Ligageschichte nur zweimal aufgeholt: 2007 vom VfB Stuttgart, 2009 von Wolfsburg.
Am Mittwoch ist DFB-Pokal, Bayern reist zur Hertha. Wieder mit Torhüter Manuel Neuer? Eine Handverletzung zwang ihn erstmals in dieser Saison zur Pause, Stellvertreter Sven Ulreich sah beim Freistoß von Leon Bailey zum zwischenzeitlichen 1:1 nicht gut aus. Während die Verantwortlichen eine seltsame Geheimniskrämerei zu Diagnose und Ausfallzeit betrieben, klärte Ulreich – wohl nicht in die Verschwiegenheitsabsprache eingeweiht –auf.
Neuer sei im Training mit dem Finger hängengeblieben. „Das passiert oft“, so Ulreich, „sein Finger war dick, er hatte Schmerzen. Aber mit ein, zwei Tagen Erholung kann er sicher wieder trainieren.“Am Sonntag trainierte Neuer schon mit – allerdings mit Fingerschiene statt Torwarthandschuhen und mit den Feldspielern.