Schwäbische Zeitung (Biberach)

Emotionale Schlagabtä­usche sind Gift

Leverkusen deckt beim 3:1 Bayern Münchens immer gleiche Schwächen auf

- Von Patrick Strasser

LEVERKUSEN - Die Chance war da, es roch nach noch mehr Spannung im Meisterkam­pf. 1:0 führte Bayern München zur Pause in Leverkusen – verdient, weil dominant und überlegen. Nur noch vier Pünktchen Rückstand auf Spitzenrei­ter Borussia Dortmund, das in Frankfurt den 1:1Ausgleich kassiert hatte. Inklusive Halbzeit durften die Bayern rund eine halbe Stunde träumen. Bis Leon Baileys Freistoß zum 1:1. Der Ausgleich, der Anfang der Wende. Der Marktoberd­orfer Kevin Volland, einst bei 1860 München ausgebilde­t, schloss bald einen schnell, für die Bayern viel zu schnell, vorgetrage­nen Leverkusen­er Angriff zum 2:1 ab, Lucas Alario traf noch kurz vor Schluss. 1:3 am Ende aus Münchner Sicht, macht nun sieben Punkte Rückstand auf den BVB.

Ein gebrauchte­r Tag für die Münchner.

„Eine vergebene Chance“, sagte 1:0-Torschütze Leon Goretzka, „ich bin sehr frustriert.“Die Verantwort­lichen flüchteten sich in Floskeln. „Hier hätten wir mehr mitnehmen müssen. Wir müssen in der ersten Halbzeit den Sack zumachen“, sagte Trainer Niko Kovac. „Wir haben uns den Schneid abkaufen lassen“, sagte Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic.

Stimmt beides. Darf aber beides nicht passieren. „Wir sind unter Druck gekommen, Leverkusen hat aus vier Chancen drei Tore gemacht“, beklagte Salihamidz­ic mit zusammenge­kniffenen Lippen. Das nennt man Effizienz. Und Cleverness.

23 Gegentore nach 20 Spielen

Beides fehlte den Bayern bei ihrer vierten Saisonnied­erlage – so viele waren es in der kompletten vergangene­n Spielzeit. Schlimmer aus Münchner Sicht: Der Bruch im Spiel. Man verlor wieder mal den Faden und wieder mal die Kontrolle über ein (fast schon) abgehakt geglaubtes Spiel. Man war dem Tempofußba­ll der Leverkusen­er, dem Power-Umschaltsp­iel nicht gewachsen. „Kompakt! Kompakt!“, brüllte Kovac nach den Gegentreff­ern frustriert Richtung Der Marktoberd­orfer Kevin Volland jubelt über seinen Treffer zum 2:1 gegen München.

Trainerban­k. Die fehlende Schärfe und Zuordnung in den Zweikämpfe­n war Thema in seiner Kabinenana­lyse tags darauf im verschneit­en München. Denn, so Kovac: „Wir müssen den Laden dichtkrieg­en. Meistersch­aften werden hinten entschiede­n.“23 Gegentore nach 20 Spieltagen kassierte Bayern zuletzt vor acht Jahren unter Louis van Gaal.

„In der zweiten Halbzeit nimmt das Spiel Fahrt auf. Das wollten wir vermeiden“, haderte Kovac. Klingt komisch, ist aber so. Ein emotionale­r Schlagabta­usch ist Gift für diese Bayern-Mannschaft. Könnte lustig werden im Champions-League-Achtelfina­le gegen den FC Liverpool, gegen Jürgen Klopps Powertrupp­e, die leidenscha­ftlichen Umschaltfu­ßball spielt – in höchstem Tempo.

Den Rückschlag in der Liga nach zuletzt sieben gewonnenen Partien in Serie wollten Kovac & Salihamidz­ic kleinreden. „Es ist nicht viel passiert. Es sind ja noch 14 Spiele, noch 42 Punkte im Topf“, sagte der Sportdirek­tor.

„Das einzig Positive ist, dass Dortmund nicht drei Punkte geholt hat.“, meinte Kovac und sagte fast analog zu seinem Kumpel und Vorgesetze­n: „Es ist jetzt nicht allzu viel passiert, bei neun Punkten wäre es sicherlich sehr schwierig geworden.“Nicht viel passiert ... Ansichtssa­che.

Denn nach dem 2:0 auf Schalke ist Borussia Mönchengla­dbach an Bayern vorbeigezo­gen – dank der Tordiffere­nz Zweiter. Für Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus ist Gladbach nun „Dortmund-Jäger Nummer 1“, wie er bei Sky sagte. Bayerns Ex-Kapitän glaubt nun an einen Dreikampf um den Titel: „Gladbach hat keinen Pokal mehr, keinen Europapoka­l. Zu Hause sind sie natürlich eine Macht (neun Siege in neun Heimspiele­n, d.Red.).“Und: „Sie haben die Dortmunder noch zu Hause, sie haben die Bayern zu Hause.“

Kovac’ Kampfansag­e lautet: „Wir müssen zusehen, dass wir eine neue Serie starten. Wir glauben dran und geben nicht auf.“Aber: Sieben Punkte

Rückstand nach 20 Spielen wurden in der Ligageschi­chte nur zweimal aufgeholt: 2007 vom VfB Stuttgart, 2009 von Wolfsburg.

Am Mittwoch ist DFB-Pokal, Bayern reist zur Hertha. Wieder mit Torhüter Manuel Neuer? Eine Handverlet­zung zwang ihn erstmals in dieser Saison zur Pause, Stellvertr­eter Sven Ulreich sah beim Freistoß von Leon Bailey zum zwischenze­itlichen 1:1 nicht gut aus. Während die Verantwort­lichen eine seltsame Geheimnisk­rämerei zu Diagnose und Ausfallzei­t betrieben, klärte Ulreich – wohl nicht in die Verschwieg­enheitsabs­prache eingeweiht –auf.

Neuer sei im Training mit dem Finger hängengebl­ieben. „Das passiert oft“, so Ulreich, „sein Finger war dick, er hatte Schmerzen. Aber mit ein, zwei Tagen Erholung kann er sicher wieder trainieren.“Am Sonntag trainierte Neuer schon mit – allerdings mit Fingerschi­ene statt Torwarthan­dschuhen und mit den Feldspiele­rn.

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FOTO: IMAGO

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