Schwäbische Zeitung (Biberach)
Lucien Favres zehn Sekunden
Beim BVB wissen sie nicht so richtig, wie sie das 1:1 in Frankfurt einordnen sollen
FRANKFURT (SID/sz) - Ganz kurz nur kam Lucien Favre heraus aus seinem Konzentrationstunnel. Als plötzlich alle jubelten im Frankfurter Stadion, da schaute auch Dortmunds Trainer hoch zum Videowürfel und sah, dass Leverkusen soeben das 1:1 gegen Bayern München geschossen hatte. „Aber nur zehn Sekunden“, beteuerte Favre hinterher, danach habe er gar nicht mehr auf die Zwischenstände in Leverkusen geachtet.
Dass die Bayern also 1:3 schließlich verloren in Leverkusen, bekam Favre erst mit, als das 1:1 seiner Borussen in Frankfurt feststand. Da waren die Dormtunder längst mittendrin im großen Gefühlswirrwarr. Erleichterung? Ernüchterung? Vielleicht sogar ein bisschen von beidem? Klar, das 1:1 (1:1) beim frechen Pokalsieger Eintracht Frankfurt stuften die Westfalen wegen des Münchner Patzers als äußerst wertvoll ein. Anstatt sieben hätte der Vorsprung des Tabellenführers auf den Rivalen aber eben auch neun Punkte betragen können.
„Ein bisschen Enttäuschung fühlen wir schon, wir hätten lieber gewonnen und hatten auch die Chancen für einen Erfolg“, sagte BVBKeeper Roman Bürki, der angesichts der erfreulichen Tabellenkonstellation nach 20. Spieltagen der FußballBundesliga aber feststellte: „Sieben Punkte sind natürlich besser als sechs.“
Dank der Schützenhilfe von Bayer Leverkusen, das unter dem ehemaligen Dortmunder Trainer Peter Bosz die Münchner niederkämpft, verbesserte sich die Situation der SchwarzGelben ein wenig – vielleicht sogar vorentscheidend. Sie können sich nun nämlich garantiert zwei Niederlagen mehr als die Münchner erlauben.
Den neunten Titel der Vereinsgeschichte aufgrund dieses Vorteils nun aber schon als selbstverständlich auszurufen, dagegen wehrten sich Spieler und Verantwortliche gleichermaßen. „Wir wissen ganz genau, was wir tun, und wollen so weiterarbeiten. Wenn ich nun sage, dass wir der klare Favorit sind, haben wir ja auch keinen Punkt mehr auf dem Konto“, sagte Sportdirektor Michael Zorc.
„Tun nicht so, als ob wir das nicht wollten“
Kapitän Marco Reus nahm die Rolle des großen Meisterschaftkandidaten auch nur widerwillig an. Es würde ihnen „ja nichts anderes übrig“bleiben, „als es zu akzeptieren, wenn wir bis zum Ende weiter da oben stehen“, sagte Reus etwas kryptisch. Immerhin: „Wir tun nicht so, als ob wir das nicht wollten“, ergänzte er noch. Der Nationalspieler hatte die Gäste (22.) in Führung gebracht, danach aber mehrere gute Chancen ausgelassen.
Weil Frankfurts Toptorjäger Luka Jovic (36.) noch vor der Halbzeit den Endstand markierte, durften die Dortmunder im Verlauf der Partie auch nicht mehr jubeln. Zumindest die Protagonisten auf dem Feld nicht. „Es war schon ein wenig seltsam“, sagte Innenverteidiger Julian Weigl, „dass die Fans trotzdem immer laut wurden, obwohl nichts passierte“.
Der Grund dafür waren die Zwischenstände aus Leverkusen, die den BVB laut Weigl „schon noch ein wenig gepusht“hätten. Trotzdem – und das verwunderte – wirkten die Dortmunder in der Schlussphase weitaus erschöpfter und ideenloser als ihr Kontrahent.
„Vielleicht war es deshalb die richtige Entscheidung, den Punkt zu retten“, sagte Bürki: „Wir haben uns lieber gedacht, dass wir uns das nicht mehr nehmen lassen und über die Zeit bringen wollen.“Also doch mehr Freude als Enttäuschung? Favre: „Wir hätten gerne gewonnen, akzeptieren aber das Ergebnis.“