Schwäbische Zeitung (Biberach)
Sánchez beißt auf Granit
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez gerät zunehmend unter Druck. Am Sonntag demonstrierten in Madrid Tausende gegen seine sozialistische Minderheitsregierung. Nach Angaben der Polizei folgten etwa 40 000 Menschen dem Protestaufruf, während die Organisatoren von mehr als 200 000 Teilnehmern sprachen. Sie forderten sofortige Neuwahlen. Die Demonstranten verlangten ein Ende des Dialogs mit Kataloniens Separatisten und warfen Sánchez vor, die Einheit Spaniens zu gefährden. Es war der bisher größte Protest gegen die Sozialistenregierung, die erst seit acht Monaten im Amt ist.
„Für ein vereinigtes Spanien“lautete das Motto der Demonstration, zu der die konservative Opposition aufgerufen hatte. Die Opposition besteht im Parlament aus der Volkspartei und der liberal-bürgerlichen Partei Ciudadanos. Die neue rechtspopulistische Bewegung Vox, die immer mehr Zulauf hat, hatte sich der Kundgebung ebenfalls angeschlossen. Diese konservative Dreierallianz könnte Umfragen zufolge im Falle von nationalen Neuwahlen die Macht in Spanien erobern.
Tausende rot-gelbe Fahnen wehten am Sonntag in Madrids City. „Spanien steht nicht zum Verkauf“, riefen die Demonstranten. Sie wandten sich gegen Sánchez’ Versuch, den Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien mit Zugeständnissen an die Separatisten zu entschärfen. Der konservative Oppositionsführer und Chef der Volkspartei, Pablo Casado, sagte auf der Veranstaltung: „Die Zeit von Pedro Sánchez ist abgelaufen.“Zuvor hatte er ihn als „Schurken“und „Verräter“bezeichnet.
Sánchez hatte der separatistischen Regionalregierung in Barcelona mehr Geld und auch mehr Selbstverwaltungsrechte in Aussicht gestellt. Sogar die Einsetzung eines Vermittlers hatte er akzeptiert, um den Dialog wieder in Gang zu bringen. Dennoch biss er bei Kataloniens Ministerpräsident Quim Torra, ein Vertrauter des nach Belgien geflüchteten Separatistenchefs Carles Puigdemont, auf Granit. Torra bestand auch am Wochenende auf seinen Kernforderungen. Erstens: dass Katalonien über seine Zukunft und damit über die Unabhängigkeit verbindlich abstimmen dürfe. Und zweitens: dass die strafrechtliche Verfolgung jener Separatisten, die sich von Dienstag an wegen der einseitigen Unabhängigkeitsbeschlüsse im Herbst 2017 vor Gericht verantworten müssen, beendet wird. Sánchez machte umgehend klar, dass er die Forderungen nicht erfüllen könne, weil er andernfalls selbst das Recht beugen würde: „Innerhalb des Gesetzes ist alles möglich, aber außerhalb des Gesetzes geht nichts.“Spaniens Verfassung erlaubt nicht die Abspaltung eines Territoriums.
Angesichts des tiefen Grabens zwischen Madrid und Barcelona scheint der Dialog vor dem Scheitern zu stehen. Für Sánchez könnte dies verhängnisvolle Folgen haben. Am Mittwoch will er den Haushalt 2019 durchs Parlament bringen. Hierfür braucht er die Stimmen der katalanischen Separatistenparteien. Sollten sie, wie angekündigt, bei ihrem Nein bleiben, könnte dies das Ende seiner Minderheitsregierung bedeuten.