Schwäbische Zeitung (Biberach)
Jeder in der Familie bekommt sein Fett ab
Das Theaterstück „Achtung, Deutsch!“spielt mit Klischees und Vorurteilen
BIBERACH - Herrlich frisch und zum Schreien komisch: Sieben Schauspieler des Bayrischen Hofs haben Stefan Vögels Komödie „Achtung, Deutsch!“aufgeführt. Fünf Studenten mit fünf unterschiedlichen Nationalitäten, tierische Angst um den Verlust einer mietgünstigen Sozialwohnung und jede Menge Chaos erwarteten die Zuschauer am Freitagabend in der Stadthalle.
In Deutschland fühlen sich der aus Syrien entflohene Germanistikstudent Tarik (Ouadirh Ait Hamou), die schöne Französin Virginie (Clara Cüppers), der verplante Italiener Enzo (Nico Venjacob) und der Österreicher Rudi (Matthias Kofler), Student im 23. Semester, eigentlich pudelwohl.
Als Hauptmieter Hendrik (Patrick Dollmann) die chaotische Truppe jedoch kurzzeitig verlässt und sich in den Skiurlaub begibt, bricht das Chaos aus. Denn postalisch kündigt sich Herr Reize (Steffen Laube) von der Wohnungsbaugenossenschaft an. Und anstelle der fünf Studierenden, die in der Sozialwohnung ansässig sind und größtenteils friedlich in einer Wohngemeinschaft leben, rechnet Herr Reize bei seinem Besuch damit, eine vierköpfige Familie kennenzulernen.
Geschichte trifft Nerv der Zeit
Die Geschichte, die erzählt wurde, traf den Nerv der Zeit. Ungeniert wurden Klischees und Vorurteile verarbeitet, im Theaterstück bekam jedes Mitglied der schrägen MultiKulti-Familie sein Fett ab.
Um die Einbürgerung ihres syrischen Mitbewohners Tarik nicht zu gefährden und auch nicht Gefahr zu laufen, ihre günstige Wohnung zu verlieren, hecken die vier Studenten einen Plan aus: Sie wollen Jochen Reize die perfekte deutsche Familie vorspielen.
Doch – wie verhalten sie sich überhaupt, diese Deutschen? Und was zeichnet eine normale deutsche Familie aus? Tarik, Virginie, Rudi und Enzo ist klar: Deutsche lieben Klemmbretter. Die Deutschen sind diejenigen, die grundsätzlich immer pünktlich auflaufen und alles umsonst ergattern möchten. Deutschen Männern sind ihre Autos weitaus wichtiger als ihre Ehefrauen, außerdem ist und bleibt Ironie ein Fremdwort in Deutschland.
Nach der Pause erstrahlte das Bühnenbild in neuem Glanz: Statt eines typischen WG-Wohnzimmers konnten die Zuschauer nun das Wohnzimmer von Familie Schlüter bewundern. Rudi und Enzo mussten in den sauren Apfel beißen und Tariks und Virginies Kinder spielen – aufgrund seines Akzents wurde Rudi unfreiwillig zum stummen Autisten. Das Chaos ist schließlich perfekt, als Friedhelm (René Toussaint) von nebenan aufkreuzt und Henrik aus seinem Skiurlaub zurückkehrt – und das alles, während Herr Reize noch mit Enzo im Kinderzimmer sitzt und fröhlich mit der PlayStation spielt. Letzten Endes flogen die Lügen auf, eine Strafe gab es jedoch nicht: In diesem Falle hatte das Wirrwarr der Bürokratie nämlich etwas Gutes, und Herr Reize fühlte sich nicht mehr zuständig für die Mitglieder der WG.
Das Publikum amüsierte sich köstlich und sparte am Ende der Aufführung auch nicht an Applaus.