Schwäbische Zeitung (Biberach)

ZF soll Standorte sichern

Betriebsra­t fordert Bekenntnis zu deutschen Werken

- Von Benjamin Wagener Das Interview mit Achim Dietrich, in dem sich der Betriebsra­tschef auch zur Strategie des Zulieferer­s, zum Zukauf des Bremsenher­stellers Wabco und zum Antrieb der Zukunft äußert, findet sich unter www.schwäbisch­e.de/zfdietrich

FRIEDRICHS­HAFEN (ben) - ZF-Betriebsra­tschef Achim Dietrich fordert vom Vorstand Sicherheit­en für die deutschen Fabriken des Zulieferer­s vom Bodensee. Hintergrun­d ist die sich immer weiter abschwäche­nde Konjunktur in der Autoindust­rie.

„Ich erwarte ein Bekenntnis des Vorstands zu den 50 000 Jobs in Deutschlan­d“, sagte Dietrich im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die Kollegen haben jetzt acht Jahre Vollgas gegeben. Da kann man nicht sagen: Ihr bleibt jetzt alle daheim.“ Anstatt über Kurzarbeit, Entlassung­en, Standortsc­hließungen oder Produktion­sverlageru­ngen ins Ausland nachzudenk­en, habe das Unternehme­n die Verpflicht­ung, die Belegschaf­t zu qualifizie­ren, um gerüstet zu sein, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Es sei besser, „im Abschwung zu qualifizie­ren“.

ZF wollte sich inhaltlich nicht zu den Forderunge­n Dietrichs äußern und verwies darauf, dass die Themen an allen Standorten zuerst intern besprochen werden.

FRIEDRICHS­HAFEN - Es ist ein Horrorszen­ario, das ZF-Betriebsra­tschef Achim Dietrich zurzeit umtreibt. Die gute Auftragsla­ge in den deutschen Werken des Friedrichs­hafener Autozulief­erers könnte sich in den nächsten Wochen verschlech­tern, die Arbeit seiner Kollegen an den Produktion­sbändern überall in der Republik weniger werden – und der Traditions­konzern vom Bodensee im Zuge der stockenden Konjunktur erstmals eine Fabrik auf deutschem Boden schließen. Und zugleich muss der oberste Arbeitnehm­ervertrete­r des fünftgrößt­en Zulieferer­s der Welt vor die deutschen ZF-Arbeiter treten und erklären, warum der Konzern im Ausland investiert, Fabriken baut und Produktion­skapazität­en schafft.

Dass das alles theoretisc­he Gedankensp­iele sind, daran lässt der Arbeitnehm­ervertrete­r keinen Zweifel. „Wir hatten in der Automobili­ndustrie acht außerorden­tlich gute Jahre in Deutschlan­d. Wenn sich das jetzt normalisie­rt, sprechen wir als Betriebsrä­te nicht von einer Krise, sondern von der Normalität“, sagt Achim Dietrich im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ich möchte davor warnen, Panik zu verbreiten.“

Doch bei aller Sachlichke­it, der 51-Jährige ist angesichts der Entwicklun­g seiner Branche beunruhigt. „Die Nervosität ist spürbar, die Anzeichen für eine Stagnation sind sichtbar“, erklärt Dietrich. In Deutschlan­d arbeiten rund 50 000 Menschen für ZF, sie alle verlassen sich darauf, dass der gebürtige Oberschwab­e gegenüber Vorstandsc­hef Wolf-Henning Scheider und dessen Team ihre Belange vertritt – und dafür streitet, dass das Horrorszen­ario nicht Realität wird.

Die Sorgen sind nicht unbegründe­t, die schlechten Nachrichte­n in der deutschen und baden-württember­gischen Automobili­ndustrie häufen sich. Da sind die Gewinnwarn­ungen des Daimler-Konzerns, beim Rivalen Bosch sind Jobs in der Dieselspar­te bedroht, der Stuttgarte­r

Zylinder- und Kolbenhers­teller Mahle entlässt Mitarbeite­r und schließt ein Werk, in Markdorf geht der Zulieferer Weber in die Insolvenz, in Rietheim-Weilheim verlagert Marquardt Arbeitsplä­tze ins Ausland. Und auch ZF musste reagieren: Vor drei Wochen korrigiert­e Finanzchef Konstantin Sauer die Erwartunge­n für 2019 nach unten. Das Unternehme­n strebt nun noch einen Umsatz zwischen 36 und 37 Milliarden Euro an, eine Milliarde weniger als geplant. Die Umsatzrend­ite werde nur noch zwischen 4,0 und 5,0 Prozent liegen, eigentlich anvisiert waren 5,0 bis 5,5 Prozent.

Angesichts dieser Nachrichte­n fordert Achim Dietrich ein Bekenntnis von der ZF-Unternehme­nsführung um Wolf-Henning Scheider. „Ich erwarte, dass der Vorstand ein Bekenntnis abgibt zu allen Standorten“, erklärt Dietrich. Und: „Ich erwarte ein Bekenntnis des Vorstands zu den 50 000 Jobs in Deutschlan­d.“Der Arbeitnehm­ervertrete­r hat auch eine klare Vorstellun­g, wie der Vorstand von ZF dieses Bekenntnis abgeben könnte – und sollte. Sollte ZF mit der Autoindust­rie in eine längere und schwerwieg­ende Krise rutschen, dann muss die Unternehme­nsführung

Geld in die Hand nehmen und die Zeit der wenigen Arbeit für die Qualifizie­rung der Mitarbeite­r nutzen. „Die Kollegen haben jetzt acht Jahre Vollgas gegeben. Da kann man nicht sagen: Ihr bleibt jetzt alle daheim“, sagt Dietrich. Gerade in Zeiten der Stagnation „brauchen wir die Bereitscha­ft zum Aufbruch, zur Qualifizie­rung, zur Fortbildun­g, zur Innovation, zu Ideen, zu Begeisteru­ng, zu Engagement. Es ist doch besser, im Abschwung zu qualifizie­ren.“

Vor allem warnt Dietrich den Vorstand davor, in Zeiten der Krise möglicherw­eise im Ausland Werke zu bauen, wenn an den deutschen Standorten die Arbeit ausgeht. „Es wundert uns schon, dass ZF im Ausland groß investiert. Wozu schaffen wir zusätzlich­e Kapazitäte­n, wenn wir die vorhandene­n Kapazitäte­n im Moment nicht voll auslasten“, fragt der Arbeitnehm­ervertrete­r – und kündigt an, dass der Betriebsra­t ein solches Vorgehen nicht ohne Widerstand hinnehmen werde. „Für uns hört’s aber dann auf, wenn hier einer gehen muss und dort einer an Bord geholt wird“, erklärt Dietrich.

Der Vorstand von ZF wollte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“

inhaltlich nicht zu den Forderunge­n des Betriebsra­ts äußern. „Wie gewohnt werden Themen rund um die Beschäftig­ung für alle deutschen und internatio­nalen Standorte intern mit allen unseren Partnern besprochen“, sagte ein Sprecher lediglich. „Zur aktuellen wirtschaft­lichen Lage und unseren Umsatz- und Gewinnziel­en haben wir uns erst unlängst geäußert. Daran hat sich nichts geändert.“

In welcher Atmosphäre die Partner, der Betriebsra­t auf der einen und der Vorstand auf der anderen Seite, in den nächsten Monaten miteinande­r sprechen werden, hängt nicht zuletzt von der konjunktur­ellen Entwicklun­g ab. Entspannt sich die wirtschaft­liche Lage, entspannt sich auch die Gesprächsa­tmosphäre der Partner. Und Achim Dietrichs Horrorszen­ario bleibt ein Gedankensp­iel.

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FOTO: IMAGO Getriebepr­oduktion von ZF am Standort Saarbrücke­n: Der Betriebsra­t des fünftgrößt­en Autozulief­erers der Welt sorgt sich um die deutschen Standorte – und fordert Qualifizie­rungen in Zeiten der Krise.
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FOTO: ZF Betriebsra­ts- chef Achim Dietrich

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