Schwäbische Zeitung (Biberach)
Südafrika erlebt eine neue Welle fremdenfeindlicher Gewalt
Zwölf Menschen kamen bei Unruhen ums Leben, viele weitere ergreifen die Flucht
RAVENSBURG - Wieder einmal hat eine Welle fremdenfeindlicher Gewalt Südafrika erfasst. Rund um Johannesburg sind seit Anfang September zwölf Menschen ums Leben gekommen. Die Ausschreitungen richteten sich gegen Einwanderer aus anderen Staaten Afrikas, insbesondere Nigerianer waren das Ziel wütender Mobs. Zahlreiche Menschen, die aus ihren Armenvierteln geflohen waren, wurden in Notunterkünfte gebracht und trauen sich nun nicht mehr zurück. Mehrere Hundert Nigerianer nahmen am Mittwoch ein Angebot ihrer Regierung an und ließen sich in ihr Heimatland zurückbringen. Dort und in anderen Staaten Afrikas war es zuvor zu Gegenprotesten gekommen. Die südafrikanische Regierung sah sich gezwungen, die Botschaft in der nigerianischen Hauptstadt Abuja vorerst zu schließen.
Es sind nicht die ersten Unruhen dieser Art. Am schlimmsten war es im Jahr 2008, damals starben 62 Menschen bei einem ähnlichen Ausbruch der Gewalt. In der vergangenen Woche wütete der Mob vor allem in der Innenstadt von Johannesburg – hier leben besonders viele Zuwanderer aus Nachbarländern wie Simbabwe, Sambia und Malawi, aber auch aus entfernteren Staaten wie Somalia und eben Nigeria. Die weißen Südafrikaner nehmen den Zustrom mit einem Schulterzucken hin, sie haben Gegenden wie das Johannesburger Zentrum ohnehin längst aufgegeben und verlassen. Für die schwarzen Südafrikaner aber sind die Neuankömmlinge eine Konkurrenz. Zumal Ausländer als gute Arbeiter gelten, die sich weder über geringe Löhne noch über schlechte Arbeitsbedingungen beschweren. Andere kommen als Inhaber kleiner Geschäfte zu bescheidenem Wohlstand und ziehen damit Neid auf sich. Nigerianer sind in Südafrikas Armenvierteln zudem als Drogendealer verschrien. Eine Verallgemeinerung, die jetzt sogar Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor wiederholte. Viele Nigerianer seien in Drogen- und Menschenhandel verstrickt, Nigerias Regierung müsse dazu beitragen, dass „nigerianische Kriminelle in Nigeria bleiben“, forderte Pandor. David Makhura, Premierminister der Metropolregion um Johannesburg, verurteilte die Gewalt – und kündigte im gleichen Atemzug an, seine Regierung werde Ausländern künftig bestimmte Geschäftstätigkeiten verbieten. Beide Politiker gehören der Regierungspartei ANC an. Die Partei des verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Nelson Mandela wurde in ihrem Kampf gegen die Rassentrennung von den anderen Staaten Afrikas stark unterstützt. Dass ausgerechnet schwarze Südafrikaner nun andere Afrikaner ausgrenzen und vertreiben, wird dort als extrem undankbar empfunden.
Nach Ansicht des liberalen südafrikanischen Instituts für Rassenbeziehungen ist Fremdenfeindlichkeit indes nicht der einzige Grund für die Ausschreitungen. Schuld seien vielmehr Armut, Arbeitslosigkeit und enttäuschte Hoffnungen – und Politiker, die mit Sündenböcken schnell bei der Hand sind.