Schwäbische Zeitung (Biberach)
Große Koalition verteidigt Klimapaket
Grünen gehen Pläne nicht weit genug – Bundesländer verlangen Gegenfinanzierung
BERLIN (dpa/AFP) - Die Große Koalition hat ihre Pläne zum Klimaschutz im Bundestag verteidigt und sich dabei demonstrativ geschlossen gezeigt. Gesetzentwürfe zu höheren Steuern auf Flugtickets, geringeren Steuern für Bahnfahrkarten, einer höheren Pendlerpauschale und neuen Regeln für den Klimaschutz waren am Freitag erstmals Thema im Parlament. All das sind Bausteine des Klimaschutzprogramms, auf das sich Bundesregierung und Koalitionsspitzen nach monatelangen, schwierigen Verhandlungen geeinigt hatten. Beschließen soll der Bundestag die Gesetze im November – kurz vor dem SPD-Parteitag, an dem die Sozialdemokraten über die Zukunft der Koalition mit CDU und CSU entscheiden.
„Das wird eine Liebe auf den zweiten Blick“, prophezeite Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Kritikern in der Opposition in Bezug auf den Klimaschutz. Vor allem gegen das Klimaschutzgesetz von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gab es in der Union große Vorbehalte. Es macht für Bereiche wie Verkehr, Heizen oder Landwirtschaft jahresgenaue Vorgaben, wie viel Treibhausgas eingespart werden muss, und regelt, dass Fachminister nachsteuern müssen, wenn es nicht reicht. Schulze nannte es im Bundestag das „Herzstück“des Klimapakets.
Zu den entschiedensten Kritikern hatte bisher Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein gehört, der Schulzes Pläne als Weg in die „Klimaplanwirtschaft“
verdammt hatte. Am Freitag zeigte sich der CSU-Politiker allerdings versöhnlich und nannte die Klimaschutz-Pläne „wohlabgewogen, ökologisch, sozial, ökonomisch“. Aus dem Klimaschutzgesetz habe man „all die Dinge rausverhandelt“, die das Thema „verfälscht“hätten. In der SPD rechnet man dennoch damit, dass es um dieses Gesetz, aber auch um Regelungen zum Windkraft-Ausbau noch Ärger geben wird.
Viel Kritik kam von der Opposition. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, das „Klimapäckchen“werde im günstigsten Falle ein Drittel der Treibhausgase einsparen, die zum Erreichen des deutschen Klimaziels für 2030 – nämlich 55 Prozent weniger Klimagase als 1990 – notwendig wären. Gesine Lötzsch, VizeVorsitzende
der Linken im Bundestag, warf der Koalition vor, sie wolle die Menschen umerziehen, man müsse aber die Produktionsweise ändern. „Die kapitalistischen Verhältnisse machen die Menschen zu Umweltzerstörern“, sagte sie.
Auch die Ministerpräsidenten der Länder haben Gesprächsbedarf beim Klimapaket – vor allem bei der Gegenfinanzierung der Maßnahmen. Sie verlangten „mindestens die vollständige Kompensation“der ihnen durch die Maßnahmen bevorstehenden Einnahmeausfälle, sagte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) am Freitag zum Abschluss ihrer Beratungen der Länder. Fairness in diesem Punkt sei eine wichtige Basis für das Gesetzgebungsverfahren zum Pakt.
ELMAU (dpa) - Die Länder fordern Geld vom Bund für den Klimaschutz, einen flächendeckenden Mobilfunkausbau bis 2025 und eine Überprüfung der gesetzlichen Strafzumessungen bei antisemitischen Taten. Mit diesen Beschlüssen endete am Freitag die Ministerpräsidentenkonferenz im bayerischen Schloss Elmau. Keine Mehrheit gab es für den Vorstoß von Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, mehr Kompetenzen und Rechte für starke Länder einzufordern. Allerdings verlangen die Ministerpräsidenten eine dauerhaftere Finanzausstattung der Länder, mehr Rechte für die Länder in Europafragen und eine Aufwertung des Bundesrats. Ein Überblick:
Klimaschutz:
Die Ministerpräsidenten wehren sich dagegen, dass das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung zulasten der Länder geht. Sie fordern deshalb Geld vom Bund: „mindestens eine vollständige Kompensation der durch die Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht den Ländern und Kommunen entstehenden Mindereinnahmen“. Diese Steuerausfälle summierten sich in den nächsten vier Jahren auf 2,5 Milliarden Euro, sagte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU). Die Länder klagen, das Klimaschutzprogramm führe zu „erheblichen finanziellen Belastungen auch von Ländern und Kommunen“, Einnahmen sollten nur dem Bund zugutekommen. Nötig sei aber eine „angemessene
Lastenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen“. Söder sagte, das sei eine wichtige Brücke für die anstehenden Beratungen im Bundesrat.
Mobilfunk:
Die Ministerpräsidenten fordern eine flächendeckende Versorgung mit mobilen Sprach- und Datendiensten in Deutschland bis spätestens 2025. Denn die Versorgung mit Mobilfunk gehöre zu den grundlegenden Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft, heißt es in dem Beschlusspapier. Der Mobilfunkausbau sei deshalb „massiv zu beschleunigen“, das Schließen von „weißen und grauen Flecken“im Mobilfunkbereich sei eine der wichtigsten infrastrukturpolitischen Zielsetzungen. Im Bereich des hochmodernen 5GNetz-Ausbaus fordern die Länder vom Bund, die Fördermaßnahmen aufzustocken.
Föderalismus:
Die Regierungschefs fordern eine deutliche Aufwertung des Bundesrats gegenüber dem Bundestag. „Die Länder müssen auf
Augenhöhe im kooperativen Prozess eine Rolle spielen“, sagte Söder zum Abschluss der Konferenz. In ihrem Kompromisspapier kritisieren die Länder, dass der Bundestag „die vom Bundesrat eingebrachten Gesetzesinitiativen in der weit überwiegenden Mehrzahl nicht weiter behandelt“, obwohl er laut Grundgesetz dazu verpflichtet sei. Das müsse sich ändern. Zudem fordern die Länder mehr Rechte in Europafragen und eine fairere Finanzverteilung. Die von Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingebrachte Idee eines „Föderalismus der zwei Geschwindigkeiten“, der stärkeren Ländern mehr Kompetenzen ermöglichen sollte, fand in Elmau dagegen keine Mehrheit.
Antisemitismus:
Nach dem rechtsextremistischen Terroranschlag von Halle fordern die Ministerpräsidenten eine Überprüfung der gesetzlichen Strafzumessungen bei antisemitischen Taten. „Die Strafverfolgungsbehörden sind weiterhin gehalten, dort, wo sich derartige Straftaten zeigen, einen hohen Ermittlungsdruck aufzubauen, schnell und zupackend einzugreifen und die Strafverfahren konsequent und zügig durchzuführen. An deren Ende muss eine dem besonderen Unrechtsgehalt derartiger Taten entsprechende spürbare Sanktionierung stehen“, heißt es dazu im Beschlusspapier der Regierungschefs.
Stiftung Auschwitz-Birkenau:
Zum dauerhaften Erhalt der Gedenkstätte des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers AuschwitzBirkenau in Polen wollen die Bundesländer bis Ende 2021 zusammen 30 Millionen Euro bereitstellen – also ebenso viel Geld wie der Bund.
Die Inszenierung drumherum:
Söder hat aus der Konferenz ein Event gemacht, mit vielen Inszenierungen und schönen Bildern: Erst eine Fahrt auf die Zugspitze samt Foto mit dem Gipfelkreuz im Hintergrund. Dann ließ er das komplette Schloss Elmau, das Luxushotel, in dem 2015 der G7-Gipfel stattfand, anmieten. Und zum Abschluss gab es ein Foto aller Regierungschefs auf genau der Bank, auf der damals USPräsident Barack Obama saß und mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach – das Foto ging damals um die Welt. Söder wollte die Bank aber auch für sich haben: Noch am Morgen ließ er sich alleine dort ablichten, in genau der Pose wie Obama. Am Ende meinte er: „Wir haben versucht, ein gutes Bild von Bayern zu zeigen, kulinarisch, optisch, natürlich.“